KW-46-2015: Generation Bataclan

 

Cd-Live-At-Bataclan-Lou-Reedua

Der Begriff der Generation X, Y oder Z wird nunmehr spätestens seit dem 13. November 2015 um den Begriff der „Generation Bataclan“ ergänzt. Ein wohl in die Soziologie der Moderne eingehender Begriff, der eine Bevölkerungskohorte bezeichnet, die mit der Gegenwart von Terror zu leben hat. Was aber steckt hinter dem Begriff ? Was sind Bevölkerungskohorten und was ist das „Bataclan“ genau? Nur eine Konzerthalle? Und jene, die dort eine gute Zeit suchen?

Der Begriff der „Generation X“, also jener Generation, die nach den sogenannten „Baby Boomer“ folgte, wurde durch Douglas Copelands Roman „Generation X“ (1991) und den Grunge Rock der 90er Jahre mit Bands wie Nirvana und Pearl Jam populär. Doch eigentlich reichen die Wurzeln des Begriffs bis in die 50er Jahre zurück. Der Begriff wurde von dem US-amerikanischen Fotografen Robert Capa geprägt, der den Begriff als Titel für eine Foto-Reportage über junge Leute, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs herangewachsen sind, verwendet. Seitdem taucht der Begriff auf, wenn von jugendlichen Lebensstilen und der Bildung neuer Wertesysteme, in der Auseinandersetzung mit Jugenstilforschung die Rede ist.

Die Generationen X mit den Jahrgängen ab 1965 zeichnete sich durch einen neu aufkommenden Skepizismus aus, während die Generation der Baby Boomer (ab Jahrgang 1950) die Grundhaltung des Idealismus pflegte.

Nach der Generation X, bei deren Beschreibung Coupland den vorangegangenen Lebensstil Jugendlicher aus entstandenen gesellschaftlichen und ökonomischen Zwängen eine gewisse   als “Lessness” genannte Philosophie gegenüberstellt, folgten die Generation Y (ab Jahrgang 1980) und die Generation Z (ab Jahrgang 1995). Ab 1995 wird in der Sozialforschung auch gerne von der Grenze jener Jugendstile, die der analogen Welt angehören und jenen, die der digitalen Welt zuzurechnen sind, gesprochen. Inwiefern die einzelnen Jugendstile von einander abzugrenzen sind, darüber gehen zahlreiche Autoren mit teils unterschiedlichen Auffassungen nicht immer konform. Die Generation Z ist jedoch rein geburtsjahrmäßig jene jugendliche Zielgruppe, die technisch und sozial-medial gesehen zu den Digital Natives gehört, also nie ohne die Existenz des Internets gelebt haben.

Um alle „Generationen“ nach den Baby Boomern zu typologisieren, hat Univ.-Prof. Dr. Christian Scholz in einer seiner Studien die Merkmalsausprägungen Geburtsjahr, Grundhaltung, vordergründiges Unterscheidungsmerkmal, gesellschaftlicher Bezug, Aktivitätsniveau, Informiertheit, Qualifikation und Ausrichtung gegenübergestellt. Die unten gezeigte Abbildung fasst seine Ergebnisse zusammen (vgl. SCHOLZ, Christian: Generation Z – Willkommen in der Arbeitswelt).

Generation-X-Y-Z

Quelle: Scholz, Christian: Generation Z – Willkommen in der Arbeitswelt 

Fehlen tut die Generation, die die französische Zeitung LIBERATION „Generation Bataclan“ in ihren Berichterstattungen über die schrecklichen Ereignisse im 11. Arrondissiment im Paris des 13. Novembers 2015 genannt hat. Fasst man die Beschreibung der darin angesprochenen „Generation“, die mit Terror aufgewachsen und umzugehen hat, zusammen, könnte man die Generation Bataclan als jene Generation bezeichnen, bei der Terror allgegenwärtig ist. Doch was „Bataclan“ ausmacht ist nicht nur die Angst vor dem Terror, die Tatsache, mit Terror leben zu müssen, sondern auch die Courage dem Terror mit Zivilisiertheit zu trotzen. Kaffee in einem öffentlichen Cafe zu geniessen, dabei eine liberale unabhängige Zeitung lesen zu können, sollte „kein Akt bürgerlichen Heldentums sein“, so die LIBERATION, sondern Teil eines Lebensstils. Was hat das mit dem Bataclan zu tun?

Cd-Live-At-Bataclan-Lou-Reedua2

Das Bataclan gilt als Pariser Vergnügungsetablissement und Konzertsaal im XI. Arrondissement am 50 Boulevard Voltaire in Paris. Es wurde 1864-1865 gebaut und erfuhr seitdem Höhen und Tiefen, teils war es geschlossen, wurde als Tanzsaal oder Kinotheater verwendet, umgebaut und saniert und wiedereröffnet. Die letzte Sanierung erfolgte 2005. Immer aber wurde die auffällig orientalisierende Architektur aufrechterhalten. Der Name „Bataclan“ basiert auf der gleichnamigen Operette von Jacques Offenbach. Seit den 60ern agiert das Bataclan auch für Rock- und Pop-Konzerte sowie andere musikalische und theatralische Veranstaltungen. Am 29. Januar 1972 fand hier der erste gemeinsame Bühnenauftritt von Lou Reed, John Cale und Nico nach der Auflösung von The Velvet Underground statt. Der Mitschnitt war jahrzehntelang nur unter der Hand als Bootleg erhältlich, bis schließlich 2004 eine offizielle CD („Le Bataclan ’72“) veröffentlicht wurde. Aber auch Jeff Buckley oder Jane Birkin nahmen hier Live-Mitschnitte ihrer Konzerte auf.

Cd-Live-At-Bataclan-Lou-Reed

Insgesamt wurden im Bataclan-Theater am 13. November 2015 89 Menschen ermordert. Weitere 39 starben rund um das Bataclan in Cafes und anderen öffentlichen Plätzen.

Der hashtag „#prayforparis“ proklamiert seitdem vielfältige Formen der Trauer. Die „Generation Bataclan“ sucht die Trauer nicht nur im Überleben, sondern im Zurückfinden ins Leben ohne Angst und Terror

CD-BUCKLEY-Live-At-Bataclan