KW-43-2024: „Serious songs for serious people“ – in Düsseldorf“ , Dylan said in Düsseldorf. – Das letzte Bob Dylan-Konzert der Rough And Rowdy Ways-Tour in Deutschland in Düsseldorf. – Die Saalpläne der Tournee erinnern an Dylans letzte Spielstätten 2024 und das Wort ans Publikum hat er auch noch gerichtet. Exzellente Show.

Die Setlist:

1. All Along the Watchtower (Bob on guitar and baby grand piano)
2. It Ain’t Me, Babe (Bob on guitar and baby grand piano and harp)
3. I Contain Multitudes (Bob on baby grand piano)
4. False Prophet (Bob on baby grand piano) (Bob introduced Bob Britt at the end)
5. When I Paint My Masterpiece (Bob on baby grand piano and harp)
6. Black Rider (Bob on baby grand piano)
7. My Own Version Of You (Bob on baby grand piano)
8. To Be Alone With You (Bob on baby grand piano and harp)
(Bob introduced Doug Lancio at the end)
9. Crossing the Rubicon (Bob on baby grand piano)
(Bob introduced Tony Garnier at the end)
10. Desolation Row (Bob on baby grand piano and harp)
(Bob introduced Jim Keltner at the end)
11. Key West (Philosopher Pirate) (Bob on baby grand piano)
12. It’s All Over Now, Baby Blue (Bob on baby grand piano and harp)
13. I’ve Made Up My Mind To Give Myself To You
(Bob on baby grand piano and harp)
14. Watching the River Flow (Bob on baby grand piano)
15. Mother of Muses (Bob on baby grand piano)
16. Goodbye Jimmy Reed (Bob on baby grand piano and harp)
17. Every Grain of Sand (Bob on baby grand piano and harp)

 

KW-43-2024: „Watching The River flow in Saarbrücken“ – Bob Dylan in Saarbrücken 2024 – Review/ Konzertkritik, 22.10.2024 – von Christof Graf (German & English

photos: christof graf

„Watching The River Flow in Saarbrücken“ (German Version, scroll down for English Version)

„Watching The River Flow in Saarbrücken – An keinem anderen Ort hat sich Bob Dylan wohl sicherer fühlen können als an diesem Dienstag, den 22.10.2024 in der saarländischen Landeshauptstadt Saarbrücken. Warum? Zeitgleich zu dem Bob Dylan-Konzert in der Saarlandhalle fand im gerade mal 100 Meter gegenüberliegenden Ludwigs-Park-Stadion das Fußballspiel des heimischen 1. FC Saarbrücken gegen Hansa Rockstock statt. Neben etwa 13.000 Fußballfans im ausverkauften Stadion waren aus Angst vor Ausschreitungen daher auch noch zahlreiche Hundertschaften von Polizisten im und um das Stadion präsent. Dies wiederum war auch der Grund, warum die Anfahrtswege zur Halle und zum Stadion ab nachmittags voll gesperrt waren. Eventnahe Parkmöglichkeiten gab es für Bob Dylan-Konzert-Besucher und Fußballfans so gut wie keine. Die meisten parken in der Innenstadt und laufen die knappe halbe Stunde zu den Event-Locations zu Fuß. Über 600 Männern und Frauen in Polizeiuniformen regelten das Verkehrschaos, sagte ein Polizeisprecher. Nirgendwo sonst auf seiner „Rough And Rowdy Ways“-Tour hat Bob Dylan seine Tour-Trucks und die vier Nightliner-Busse wohl sicherer abstellen können als in Saarbrücken.

Anders streng bewacht wurde auch die Saarlandhalle. Konzertbesucher, zumeist im Baby Boomer-Alter, die zwischen ca. 100 und 250 Euro für ihre Tickets bezahlt haben, mussten sich von martialisch gekleidetem Security Personal an der Eingangschleuse der Halle, die ab 18.30 Uhr geöffnet war, nach unerlaubten Gegenständen durchsuchen lassen. Nicht wenige Konzertbesucher empfanden diese scheinbar von den Securities amüsiert und übertrieben durchgeführte Behandlung verstörend. In Frankfurt und Stuttgart wurde der sogenannte „Body Check“ etwas dezenter und auch von freundlicherem und besser angezogenem, wohl auch besser ausgebildetem Personal in schwarzen Anzügen mit Hemd und Krawatte durchgeführt. Stil ist eben anders. Anyway, nach der Body-Check-Schleuse wurde das Einlassticket gescannt und man wurde darauf hingewiesen, mitgeführte Smartphones in den Yondr-Pockets verschließen zu lassen.

Nach dieser Prozedur war für viele der obligatorische Besuch des Merchandising-Standes angesagt. Gegen 19.45 Uhr ertönt ein erster Gong, kurz vor 20.00 Uhr ein weiterer. Da ist die erste Halbzeit des Dritt-Liga-Fußballspiels schon vorbei und es steht 1:0 für die Heimmannschaft (- das Spiel endete 2.0). Draußen im Stadion wird Pyrotechnik gezündet, drinnen in der Saarlandhalle mit ihrem 1970er Jahre-Charme (Baujahr 1967) wird das Licht gedimmt. Pünktlich um 20.00 Uhr beginnt Bob Dylan sein Konzert, das völlig ohne jegliche Effekte auskommt und keine Pause offeriert.

Bob Dylan betritt die Bühne in der Dunkelheit. Er setzt sich ans Klavier, greift hinter sich an (s)eine bereitliegende Gitarre und spielt die ersten drei Minuten mit seiner vierköpfigen Band einen Song, als gäbe es kein Publikum. Dann dreht er sich um, spielt Klavier und er setzt mit den ersten Textzeilen zu „All Along The Watchtower“ ein. Das Publikum goutiert den zunächst nicht erkannten Song dann sofort mit begeistertem Applaus. Die, die in den vorderen Reihen sitzen, erkennen ein Lächeln in Dylans Gesicht.

Dasselbe Szenario erleben etwa 3000 Besucher in der zu knapp 80 % gefüllten Halle nochmal bei „It Ain`t Me, Baby“. Da greift Dylan am Ende des Songs zur Mundharmonika und das Auditorium gerät schon gleich zu Beginn aus dem Häuschen. Die Atmosphäre ist von Beginn extrem entspannt und (gast)freundlich, fast so, als würde eine Erwartungshaltung erfüllt, die es bekanntermaßen bei Bob Dylan eigentlich nicht geben darf. Dann geht Dylan für zwei Songs in den „Rough And Rowdy Ways“-Modus über, um noch ein weiteres Mal bei „When I Paint My Masterpiece“ in seinen Backkatalog zu greifen. Das Muster des aktuellen Konzertformats ist schnell gelernt. Es beginnt mit zwei älteren Songs (aus den 1980er und 1960er Jahren) und endet mit dem wohl bedeutendsten Lied seines 1981er „Shot Of Love“-Albums, „Every Grain Of Sand“. Zwischen dieser als Intro und Outro agierenden Songs des Siebzehn-Lieder-Vortrages sind neun des „Rough And Rowdy Ways-Albums zu hören. Nochmals ein bis zwei ältere Songs sind ebenso zu hören. Das kuriose dabei ist, dass auch die viel älteren Songs klingen, als könnten sie auch auf dem „Rough And Rowdy Ways“-Album vertreten sein. So zumindest klingt das Gesamtkonzert, in dem Dylan akustische Folksongs („I Contain Multitudes“, „Black Rider“, „Mother of Muses“, „Key West (Philosopher Pirate)“) mit elektrischen Blues-Nummern („False Prophet“, „Goodbye Jimmy Reed“, „Crossing the Rubicon“), mit der Ballade „I’ve Made Up My Mind to Give Myself to You“ und mit dem eher schwieriger in Musikgenres zuzuordnenden Song „My Own Version of You“ zu einer atmosphärischen Klangdichte vermischt. Einen musikalischen Bruch in der Live-Darbietung zwischen diesen teils 60 Jahre alten Liedern („It`s all Over Now Baby Blue“ (1965)) und den jüngsten, erst 2020 veröffentlichen Liedern gibt es nicht. Diese Zeitenwenden zwischen den Songs scheinen dem Saarbrücker Publikum zu gefallen. Nach jedem Song gibt es Jubelrufe und Applaus, die sich zudem von Song zu Song steigerten. Dylan scheint das zu bemerken und nuschelt hin und wieder ein „Thaaaaaaank, ya“ ins Mikrofon. Nicht nur jene, die Dylan schon mehrmals auf seiner aktuellen Tournee erlebten, erleben Dylan in Saarbrücken in guter Spiellaune. Vielleicht sind es auch die Widerspiegelung der Publikumslaune und natürlich die perfekt harmonierenden Musiker, die den Abend so gelungen klingen lassen. Dylan quittiert die Aufmerksamkeit mit konzentriertem Vortrag seiner Texte, die Musiker tun ihm das mit konzentriertem auf Dylans Gesang perfekt abgestimmte Musik nach. Bob Dylans Konzert 2024 ist nach 2009 und 2015 das dritte in Saarbrücken. 2009 war er Headliner der damaligen Musikfestspiele Saar und sein Gesang wirkte damals eher brüllend und bissig. 2015 beinhaltete sein Konzert viel Sinatra-Material seines damals gerade erschienenen „Shadows In The Night“-Albums und sein Gesang klang damals wie der eines Crooners. 2024 ist Dylans Sprech-Gesang eher zwischen der Monodie-Methode und dem Belcanto-Genre verortet. Dylan trägt die Texte seines bisher wortreichsten Albums im monodistischen Sinne wie ein Poet mit akkordischer Instrumentalbegleitung seiner bei jedem Song harmonierenden vierköpfigen Band vor. Deren Musiker werden bei vier Song-Enden vorgestellt: Gitarrist Bob Britt bei „False Prophet“, Gitarrist Doug Lancio bei „Black Rider“, Bassist Tony Garnier bei „To Be Alone With You“ und Schlagzeuger-Legende Jim Keltner bei „Crossing The Rubicon“. Garnier begleitet Dylan übrigens seit 1989 und ist damit der Musiker, der Dylan am längsten auf seinen Konzertreisen begleitet und hat zusammen mit dem Saarbrücker Konzert knapp 3500 Dylan-Konzerte gespielt

Dylan zeigt, wo einen Stille berühren kann, wenn er mit manchmal leicht abgehackt klingender, manchmal kurz pausierender Stimme bei einem Song wie „Key West“ seine Geschichten erzählt. Wenn er in den Belcanto-Stil wechselt, geht es ihm um die Weichheit des Tons.  Wenn er versucht, geringste Gradationen auszudrücken, unmerkliche Verschiedenheiten fühlbar zu machen und seine Stimme abwechselnd abzusetzen, zu verstärken oder zu vermindern, verleiht er dem dazu gesprochenen, manchmal gesungenen oder „ge-croonten“ Wort noch mehr Ausdruck.

Besonders eindrucksvoll geschieht das bei Songs wie „Key West“ oder „Black Rider“. Beide Lieder sind weitere Beispiele von langsamen textdominanten Liedern des Abends. Bei beiden steht er oft auf und tastet sich am Konzertflügel entlang zur Bühnenmitte. Manchmal wirkt es etwas unbeholfen oder schlurfend, was einem Künstler in seinem 84. Lebensjahr niemals vorgeworfen werden kann. Auf jeden Fall wirkt es angenehm bemüht, wenn er aus dem Dunkel hinter seinem Klavier heraustritt, um seine Art der Nähe seinem ihm in Saarbrücken gastfreundlich, willkommen heißenden, nicht fordernden, sondern genießenden Publikum zu zeigen. Ein edles schwarzes Klavier, an dem er sich manchmal festzuhalten scheint, darf da gerne als Stütze dienen.

Nein, „Bob Dylan in Concert 2024“ ist nicht nur wegen der smartlosen Atmosphäre ohne immerwährend leuchtende Smartphones kein Konzert der üblichen Art. „Bob Dylan In Concert 2024 in Saarbrücken“ mutet wie eine knapp zweistündige Jam-Session an, bei der Dylan einen Groove vorgibt, ein bisschen darüber singt, um dann am Klavier ein paar Akkorde hinzuzufügen oder um in die Mundharmonika zu blasen, wozu seine Band dann das passende Arrangement sucht. In Saarbrücken hat die Band das jeweilige Song-Arrangement stets schnell gefunden und alles klang wie im Fluss aus einem Guss. Das Publikum beobachtet, hört aufmerksam zu und goutiert es immer wieder mit Szenen-Applaus, Bravo-Rufen und Begeisterung. Treibend und laut, bluesig und rockig klingt das bei „False Prophet“. Geradezu jazzig und swingend klingt es bei „When I Paint My Masterpiece“. Immer aber ist es das gesprochene Wort, das im Mittelpunkt steht und in Saarbrücken dank guter Hallenakustik ebenso gut verständlich ist, – zumindest für die Dylan`sche Ausdrucksweise. Alles passt in Saarbrücken. Kunst, Künstler und Auditorium verschmelzen zur Einheit. Von Dylans oft kritisiertem „Nicht-Gesang“ ist nicht viel zu hören. „Black Rider“ ist ein musikalischer wie epischer Höhepunkt. Vieles klingt sogar wohlakzentuiert und verständlich. Der Song wirkt wie ein Symbol für die Macht der Stille, wenn Dylan mit seiner Stimme pausierend innehält, um dem „Black Rider, Black Rider“ ein Echo zu verleihen. Im Publikum ist dann auch tatsächlich auch nicht das geringste Geräusch in der Beton- und Stahlkonstruktion der Saarlandhalle zu hören, so konzentriert wird zugehört. In diesen Momenten wird die Cellphone-Free-Erfahrung besonders intensiv und das Konzert wirkt kurz wie eine Song-Meditation. Ein magischer Moment für die, die es als magisch empfinden wollen. Auf jeden Fall ist der Song der emotionalste Moment des Saarbrücker Konzertabends. Hier gibt es keine Jubelrufe, kein Applaus, kein Aufstehen, nichts stört. Das Konzert mutiert für einen kurzen Moment zur Andacht für einen, der weiß, wie Predigen klingen können, aber auf diese schon lange verzichtet. Dylan konzentriert sich auf das Zeichnen von literarischen Bildern mit nuancierter musikalischer Begleitung von Jazz, – Swing und vor allem Bluestönen. Dies hört man sowohl bei „I Contain Multitudes“, wenn er erklärt, dass er eine vielschichtige Persönlichkeit ist wie auch bei „My Own Version Of You“, in dem er ironisch-romantisch für Möglichkeiten verschiedener Sichtweisen wirbt. „Just You and I“, singt er in „To Be Alone With You“ und übt sich wieder etwas lauter und gelegentlich swingend im Croonen. Bei „Desolation Row“ passiert etwas, was man schon lange nicht mehr bei einem Bob Dylan-Konzert erleben konnte. Eine Frau mittleren Alters, – der Rest des Publikums war im Schnitt ab mindesten 50 aufwärts – steht in etwa der 15. Reihe auf, geht mit einem DIN A 4 großen Schild auf die Bühne zu, um es Bob zu zeigen und wohl auch, um es ihm auszuhändigen. Ob er es gelesen hat, weiß man nicht, was darauf gestanden hat, weiß man auch nicht. Überreichen konnte ihm die Frau das Schild nicht. Zwei der martialisch wirkenden, in mit allen Größen von Taschenlampen ausgerüsteten schwarzen Fischerjäckchen und Springerstiefel tragenden Securities von ca. 185 cm Körpergröße stürzten sich allgegenwärtig auf die immerhin 160 cm große Frau und zerrten sie zurück auf ihren Platz. Nein, sie wurde nicht des Saales verwiesen, aber mit einem erhobenen Zeigefinger ermahnt, das ja nie wieder zu tun. Welch eine Heldentat? Der kleine höchst harmlose Zwischenfall tat der guten Stimmung bei Künstler und Publikum keinen Abbruch. Im Gegenteil, wenn Dylan „Key West is the place to be“ sang, hatte man das Gefühl, „Saarbrücken is the place to be“. Beim Klassiker „It’s All over now, Baby Blue“, einer der wenigen älteren Songs, die sich noch am Original orientieren, wird man noch einmal aus der Melancholie der „Rough And Rowdy Ways“ herausgerissen. Immer, wenn Dylan dabei mit seinem Mundharmonika-Spiel einsetzt, wird es nostalgisch. Ein bisschen hat man den Eindruck, Dylan würde sich hier gerade selbst covern oder beim Stakkato-Sprechgesang von „I´ve – (Pause) -Made – Up – (Pause) -my _ Mind – (Pause) – To Give – Myself – (Pause) – To You ) gar selbst persiflieren. Die Performance an diesem Abend besticht durch vielseitige Sanges- und Sprechkunst und perfidem Zusammenspiel der Musiker. In keiner Minute wirkt das 105minuten lange Konzert langweilig, kaum einer verlässt den Saal, um Bier zu holen, niemand möchte was verpassen.

Das Saarbrücker Publikum wird Zeuge, wie der schnell und laut gespielte Song „Watching The River Flow“ gelebt wird. Nichts bleibt, wie es ist. Dylan singt „Goodbye, Jimmy Reed“, ein „Rock`n`Roll-lastiger“ und letzter Rough And Rowdy Ways-Song an dem Abend, der allerdings noch mal von einem sehr leise und langsam gespielten „Every Grain Of Sand“ ausgebremst wird. Bob Dylan, was bleibt nach Saarbrücken? Nichts bleibt, wie es ist. Die Musiker legen die Instrumente aus ihren Händen und treten zusammen mit Dylan einen Schritt in Richtung Bühnenrand vor. Das Publikum übt sich endlich in aufgelöster Standing Ovation mit langanhaltendem Applaus. Eine Zugabe gibt es nicht. Das Licht geht aus und Sekunden später wieder an. Bob Dylan ist weg. Nichts bleibt, wie es ist. Das Publikum geht in Richtung Ausgang. Hinter mir höre ich einen Babyboomer zum anderen Babyboomer im saarländischen Dialekt sagen: „Do hatt enner uffname gemacht. Aber isch honn niggs gesachd unn ne mache losse“ (Da hat einer Aufnahmen gemacht, aber ich habe nichts gesagt und ihn machen lassen). Diese kleine Solidaritätsbekundung steht symbolisch für den ganzen Abend. Die Saarlandhalle war an diesem Abend eine gefühlte Einheit aller Beteiligter mit einer tiefgehenden atmosphärischen Dichte. Ok, die „Martial Art Securities“ einmal ausgenommen. Und wäre es nicht schade, wenn solch ein kleiner magischer Moment von kultur-historischer Bedeutung im Sinne kulturwissenschaftlicher Betrachtung nicht dokumentiert werden würde, egal ob in Wort, Ton oder Bild?

Während die Konzertbesucher langsam die Halle verlassen, um sich wieder ihre Smartphones aus den Yondr-Pockets befreien zu lassen, sitzt Dylan in einem der Nightliner hinter der Halle und wartet wohl, bis sich die Verkehrslage beruhigt. Dann verlässt er Saarbrücken. Vielleicht würde er beim Verlassen der Saarlandhalle das Graffiti am gegenüberliegenden Stadioneingang sehen, auf dem steht: „Für immer und ewig“ (in Anlehnung an eine Fan-Freundschaft). Vielleicht hat so mancher Passant beim Blick auf das Graffiti an Dylans Klassiker „Forever Young“ gedacht. Gespielt wurde der Song drinnen nicht, aber draußen, und zwar von dem „Busking-Man“, den ich Tage davor auch in Frankfurt und Stuttgart gehört habe. Nach seinem südwestdeutschen Städte-Dreieck Frankfurt-Stuttgart-Saarbrücken würde „His Bobness“ nicht in Saarbrücken übernachten, heißt es. Er würde die Nacht nach Paris durchfahren, wo Dylan zwei Tage später im „La Seine Musicale“ auftreten würde. Nur einen Tag später begann die mediale Nachberichterstattung über das Konzert. Die einen versuchten sich im üblichen Dylan-Chit-Chat über den „nasalen“ Gesang und sein Älterwerden in den Hörfunk-Morning-Shows, andere versuchten sich im üblichen 80-100-oder 120-Zeilen-Oberflächen-Getippe à 36 Anschläge für die jeweilige lokale Tageszeitung. Eine davon glänzte in ihrem eher distanziert wirkenden Nachbericht zunächst mit einem faktischen Fehler.

„Bob Dylan war in Saarbrücken zum ersten Mal seit 2009“, hieß es in der dortigen Einleitung. STREICHE: Bob Dylan war in Saarbrücken zum ersten Mal seit 2009“. SETZE: „Bob Dylan war zum ersten Mal 2009 in Saarbrücken. Danach 2015 und 2024 zum insgesamt dritten Mal“. Der „Aktuelle (TV-)Bericht“ des SAARLÄNDISCHEN RUNDFUNKS verstand es besser, die gute Atmosphäre bei einem tiefsinnigen Konzert mit O-Tönen von Konzertbesuchern wieder zu geben. Jeder der Befragten äußerte sich positiv und begeistert. Letztendlich standen wir alle nur ein weiteres Mal am Fluss und schauten zu, wie er an uns vorbeifließt. – „Watching The River Flow“ – Nichts bleibt, wie es ist.

„Watching The River Flow in Saarbrücken“ (English Version)

„Watching The River Flow in Saarbrücken – In no other place has Bob Dylan been able to feel safer than this Tuesday, 22.10.2024 in the Saarland state capital Saarbrücken. Why? At the same time as the Bob Dylan concert in the Saarlandhalle, the football match of the local 1st FC Saarbrücken against Hansa Rockstock took place in the Ludwigs-Park-Stadium, just 100 meters opposite. In addition to about 13,000 football fans in the sold-out stadium, numerous hundreds of police officers were also present in and around the stadium for fear of riots. This, in turn, was also the reason why the access routes to the hall and the stadium were completely closed from the afternoon. There were almost no parking facilities close to the event for Bob Dylan concert visitors and football fans. Most of them park in the city center and walk the almost half hour to the event locations. More than 600 men and women in police uniforms regulated the traffic chaos, said a police spokesman. Nowhere else on his „Rough And Rowdy Ways“ tour has Bob Dylan been able to park his tour trucks and the four nightliner buses more safely than in Saarbrücken.

The Saarlandhalle was also closely guarded in a different way. Concertgoers, mostly of baby boomer age, who paid between about 100 and 250 euros for their tickets, had to be searched for unauthorized items by martially dressed security personnel at the entrance gate of the hall, which was open from 6:30 p.m. Quite a few concertgoers found this treatment, apparently amused and exaggerated by the securities, disturbing. In Frankfurt and Stuttgart, the so-called „body check“ was carried out a little more discreetly and also by friendlier and better dressed, probably also better trained staff in black suits with shirt and tie. Style is just different. Anyway, after the body check lock, the admission ticket was scanned and you were told to have smartphones locked in the Yondr pockets.

After this procedure, the obligatory visit to the merchandising stand was announced for many. At around 7:45 p.m., a first gong sounds, shortly before 8:00 p.m. another one. The first half of the third league football match is already over and the score is 1:0 for the home team (- the game ended 2.0). Pyrotechnics are ignited outside the stadium, inside the Saarlandhalle with its 1970s charm (built in 1967) the lights are dimmed. Bob Dylan starts his concert punctually at 8:00 p.m., which is completely without any effects and offers no intermission.

Bob Dylan enters the stage in the dark. He sits down at the piano, grabs a guitar behind him and plays a song with his four-piece band for the first three minutes as if there were no audience. Then he turns around, plays the piano and he starts with the first lines of lyrics to „All Along The Watchtower“. The audience then immediately appreciates the initially unrecognized song with enthusiastic applause. Those sitting in the front rows recognize a smile on Dylan’s face.

About 3000 visitors in the hall, which is almost 80% full, experience the same scenario again at „It Ain’t Me, Baby“. At the end of the song, Dylan grabs the harmonica and the auditorium goes wild right at the beginning. The atmosphere is extremely relaxed and (hospitable) friendly from the beginning, almost as if an expectation is fulfilled that, as is well known, should not exist with Bob Dylan. Then Dylan goes into „Rough And Rowdy Ways“ mode for two songs to reach into his back catalogue one more time with „When I Paint My Masterpiece“. The pattern of the current concert format is quickly learned. It starts with two older songs (from the 1980s and 1960s) and ends with arguably the most significant song from his 1981 „Shot Of Love“ album, „Every Grain Of Sand“. Between these songs of the seventeen-song performance, which act as an intro and outro, nine of the „Rough And Rowdy Ways“ album can be heard. Another one or two older songs can also be heard. The curious thing is that even the much older songs sound as if they could also be represented on the „Rough And Rowdy Ways“ album. At least that’s how the entire concert sounds, in which Dylan mixes acoustic folk songs („I Contain Multitudes“, „Black Rider“, „Mother of Muses“, „Key West (Philosopher Pirate)“) with electric blues numbers („False Prophet“, „Goodbye Jimmy Reed“, „Crossing the Rubicon“), with the ballad „I’ve Made Up My Mind to Give Myself to You“ and with the song „My Own Version of You“, which is rather difficult to assign to music genres, to an atmospheric sound density. There is no musical break in the live performance between these songs, some of which are 60 years old („It’s all Over Now Baby Blue“ (1965)) and the most recent songs, which were only released in 2020. These turning points between the songs seem to please the Saarbrücken audience. After each song there are cheers and applause, which also increased from song to song. Dylan seems to notice this and mumbles a „Thaaaaaaank, ya“ into the microphone every now and then. Not only those who have already experienced Dylan several times on his current tour experience Dylan in Saarbrücken in a good playing mood. Perhaps it is also the reflection of the audience’s mood and, of course, the perfectly harmonizing musicians that make the evening sound so successful. Dylan acknowledges the attention with concentrated performance of his lyrics, the musicians imitate him with concentrated music perfectly matched to Dylan’s singing. Bob Dylan’s concert in 2024 is the third in Saarbrücken after 2009 and 2015. In 2009 he headlined the then Saar Music Festival and his singing seemed rather roaring and biting at the time. In 2015, his concert included a lot of Sinatra material from his then-just released „Shadows In The Night“ album, and his vocals sounded like those of a crooner at the time. In 2024, Dylan’s speech singing is more located between the monody method and the belcanto genre. Dylan recites the lyrics of his most wordy album to date in a monodistic sense like a poet with chordal instrumental accompaniment to his four-piece band, which harmonizes with each song. Their musicians are introduced at four song endings: guitarist Bob Britt on „False Prophet“, guitarist Doug Lancio on „Black Rider“, bassist Tony Garnier on „To Be Alone With You“ and drummer legend Jim Keltner on „Crossing The Rubicon“. Garnier, by the way, has been accompanying Dylan since 1989 and is thus the musician who has accompanied Dylan on his concert tours for the longest time and has played almost 3500 Dylan concerts together with the Saarbrücken concert

Dylan shows where silence can touch you when he tells his stories with a sometimes slightly choppy sounding, sometimes briefly pausing voice on a song like „Key West“. When he switches to the belcanto style, he is concerned with the softness of the tone. When he tries to express the slightest gradations, to make imperceptible differences perceptible and to alternately distinguish, strengthen or diminish his voice, he gives even more expression to the spoken word, sometimes sung or „crooned“.

This happens particularly impressively with songs like „Key West“ or „Black Rider“. Both songs are further examples of slow lyrically dominant songs of the evening. In both cases, he often stands up and feels his way along the concert grand piano to the middle of the stage. Sometimes it seems a bit awkward or shuffling, which can never be accused of an artist in his 84th year. In any case, it seems pleasantly strained when he steps out of the darkness behind his piano to show his kind of closeness to his hospitable, welcoming audience in Saarbrücken, not demanding, but enjoying. A noble black piano, to which he sometimes seems to hold on, may serve as a support.

No, „Bob Dylan in Concert 2024“ is not a concert of the usual kind, not only because of the smartless atmosphere without constantly glowing smartphones. „Bob Dylan In Concert 2024 in Saarbrücken“ seems like an almost two-hour jam session, in which Dylan sets a groove, sings a bit about it, then adds a few chords on the piano or blows into the harmonica, for which his band then looks for the right arrangement. In Saarbrücken, the band always found the respective song arrangement quickly and everything sounded as if in flux from a single mold. The audience observes, listens attentively and appreciates it again and again with scene applause, shouts of bravo and enthusiasm. Driving and loud, bluesy and rocking is what it sounds like on „False Prophet“. It sounds downright jazzy and swinging in „When I Paint My Masterpiece“. But it is always the spoken word that is the focus and is just as easy to understand in Saarbrücken thanks to good hall acoustics – at least for Dylan’s way of expressing himself. Everything fits in Saarbrücken. Art, artist and auditorium merge into a unit. There is not much to hear from Dylan’s often criticized „non-singing“. „Black Rider“ is a musical as well as epic highlight. Much even sounds well-accentuated and understandable. The song seems like a symbol of the power of silence when Dylan pauses his voice to give the „Black Rider, Black Rider“ an echo. In fact, not the slightest noise can be heard in the audience in the concrete and steel construction of the Saarlandhalle, so concentrated is the listening. In these moments, the Cellphone-Free experience becomes particularly intense and the concert briefly seems like a song meditation. A magical moment for those who want to feel it as magical. In any case, the song is the most emotional moment of the Saarbrücken concert evening. There are no cheers, no applause, no getting up, nothing disturbs. For a brief moment, the concert mutates into a devotion for someone who knows what sermons can sound like, but has long since renounced them. Dylan concentrates on drawing literary images with nuanced musical accompaniment of jazz, swing and, above all, blues tones. This can be heard both in „I Contain Multitudes“, when he explains that he is a multi-layered personality, as well as in „My Own Version Of You“, in which he ironically and romantically promotes the possibilities of different points of view. „Just You and I“, he sings in „To Be Alone With You“ and practices a little louder and occasionally swinging in the crooning again. With „Crossing The Rubicon“ it gets very bluesy and after something happens that you haven’t been able to experience at a Bob Dylan concert for a long time while „Desolation Row“. A middle-aged woman – the rest of the audience was on average from at least 50 upwards – stands up in about the 15th row, walks up to the stage with a DIN A4 sign to show it to Bob and probably also to hand it to him. You don’t know if he read it, and you don’t know what it said. The woman could not hand him the sign. Two of the martial-looking securities, wearing black fishing jackets and combat boots of about 185 cm tall, equipped with all sizes of flashlights, pounced omnipresent on the 160 cm tall woman and dragged her back to her place. No, she was not expelled from the hall, but she was admonished with a raised index finger never to do that again. What a heroic deed? The small, highly harmless incident did not detract from the good mood of the artist and audience. On the contrary, when Dylan sang „Key West is the place to be“, you had the feeling that „Saarbrücken is the place to be“. With the classic „It’s All over now, Baby Blue“, one of the few older songs that are still based on the original, you are once again torn out of the melancholy of the „Rough And Rowdy Ways“. Whenever Dylan starts playing his harmonica, it becomes nostalgic. You get the impression that Dylan is covering himself here or even satirizing himself with the staccato chant of „I ́ve – (Pause) -Made – Up – (Pause) -my _ Mind – (Pause) – To Give – Myself – (Pause) – To You ). The performance on this evening captivates with versatile singing and speaking skills and perfidious interplay of the musicians. The 105-minute concert doesn’t seem boring for a minute, hardly anyone leaves the hall to get beer, no one wants to miss anything.

The Saarbrücken audience witnesses how the song „Watching The River Flow“, played quickly and loudly, is lived. Nothing stays the same. Dylan sings „Goodbye, Jimmy Reed“, a „rock’n’roll-heavy“ and last Rough And Rowdy Ways song of the evening, which is slowed down by a very quiet and slow „Every Grain Of Sand“.

Bob Dylan, what remains after Saarbrücken? Nothing stays the same. The musicians put the instruments out of their hands and take a step towards the edge of the stage together with Dylan. The audience finally practices a dissolved standing ovation with long-lasting applause. There is no encore. The lights go out and come back on seconds later. Bob Dylan is gone. Nothing stays the same. The audience walks towards the exit. Behind me, I hear one baby boomer say to the other baby boomer in Saarland dialect: „Do hatt enner uffname gemacht. But isch honn niggs gesachd unn ne mache losse“ (Someone took recordings or pictures, but I didn’t say anything and let him do it). This small expression of solidarity is symbolic of the whole evening. On this evening, the Saarlandhalle was a perceived unity of all participants with a deep atmospheric density. Ok, except for the „Martial Art Securities“. And wouldn’t it be a shame if such a small magical moment of cultural-historical significance were not documented in the sense of cultural studies, whether in word, sound or image?

While the concertgoers slowly leave the hall to have their smartphones freed from the Yondr pockets, Dylan sits in one of the nightliners behind the hall and probably waits until the traffic situation calms down. Then he will leave Saarbrücken. Perhaps when he left the Saarlandhalle, he would see the graffiti on the opposite stadium entrance that reads: „Forever and ever“ (in reference to a fan friendship). Perhaps some passers-by thought of Dylan’s classic „Forever Young“ when looking at the graffiti. The song was not played inside, but outside, by the „Busking Man“, whom I had also heard days before in Frankfurt and Stuttgart. After his southwestern German city triangle Frankfurt-Stuttgart-Saarbrücken, „His Bobness“ would not spend the night in Saarbrücken, it is said. He would drive through the night to Paris, where Dylan would perform at „La Seine Musicale“ two days later. Only one day later, the media coverage of the concert began. Some tried their hand at the usual Dylan chit chat about the „nasal“ singing and his getting older in the radio morning shows, others tried their hand at the usual 80-100 or 120-line surface typing of 36 characters each for the respective local daily newspaper. One of them initially shone in her rather distant follow-up report with a factual error.

„Bob Dylan was in Saarbrücken for the first time since 2009,“ it said in the introduction. DELETE: Bob Dylan was in Saarbrücken for the first time since 2009″. ADD: „Bob Dylan was in Saarbrücken for the first time in 2009. Then in 2015 and 2024 for the third time in total.“ The „Current (TV) Report“ of the SAARLÄNDISCHER RUNDFUNK understood better how to reproduce the good atmosphere at a profound concert with original sounds from concertgoers. Each of the interviewees expressed themselves positively and enthusiastically. In the end, we all just stood by the river one more time and are „Watching The River Flow“. Nothing stays the same.

 

Die Set-List:

1. All Along the Watchtower (Bob on guitar and baby grand piano)
2. It Ain’t Me, Babe (Bob on guitar and baby grand piano and harp)
3. I Contain Multitudes (Bob on baby grand piano)
4. False Prophet (Bob on baby grand piano) (Bob introduced Bob Britt at the end)
5. When I Paint My Masterpiece (Bob on baby grand piano and harp)
6. Black Rider (Bob on baby grand piano) (Bob introduced Doug Lancio at the end)
7. My Own Version Of You (Bob on baby grand piano)
8. To Be Alone With You (Bob on baby grand piano) (Bob introduced Tony Garnier at the end)
9. Crossing the Rubicon
(Bob on baby grand piano) (Bob introduced Jim Keltner at the end)
10. Desolation Row
(Bob on baby grand piano and harp)
11. Key West (Philosopher Pirate) (Bob on baby grand piano)
12. It’s All Over Now, Baby Blue (Bob on baby grand piano)
13. I’ve Made Up My Mind To Give Myself To You
(Bob on baby grand piano and harp)
14. Watching the River Flow (Bob on baby grand piano)
15. Mother of Muses (Bob on baby grand piano)
16. Goodbye Jimmy Reed (Bob on baby grand piano and harp)
17. Every Grain of Sand (Bob on baby grand piano and harp)

 

KW-43-2024: Bob Dylan in Saarbrücken – Zwischen Hymnen und Handyverbot – Konzert-Preview in POPSCENE, No. 10/ 2024 – by Christof Graf (ONLINE version als E-PAPER)

photo: Christof Graf

(nicht „Cristof“ wie leider auf der Titelseite der aktuellen POPSCENE mein Name falsch geschrieben wurde, sondern „Christof“. Dennoch danke für die Titelseite und Titelstory, POPSCENE Saar.)

Die Titelstory gibt es als PRINT – Ausgabe und in dfer E-PAPER-Version online:

 

Zur E_PAPER_Version online:

https://popscene.club/

Vol. 12 – Bob Dylan – On The Road – Never Ending Tour 1988 – 2021