Leben nach „Nirvana“ – Foo Fighters live 2023 bei „Rock am Ring“
Am 2. Juni erscheint das neue und elfte Foo Fighters- Album, zwei Tage später sind sie Headliner beim „Rock am Ring“
Text & Photos: Prof. Dr. Christof Graf
Nach dem 2018er „Rock am Ring/ Rock im Park“-Festival-Auftritten, einer langen Pandemie-Pause und den Tod des Schlagzeugers Taylor Hawkins kehren die Grunge-Rock-Legenden um Dave Grohl mit dem neuen Album „But Here We Are“ zurück ins Rampenlicht.
Die einen nennen das Jahr 1994, die anderen 1995 als Gründungsjahr der Foo Fighters. Fakt ist, Dave Grohl, der Band-Gründer, schrieb schon während seiner Zeit bei der legendären US-Grunge-Rock-Band „Nirvana“ Songs, die in das Musikgefüge von Kurt Cobains Kultband einfach nicht zu passen schienen. Lediglich sein Song „Marigold“ schaffte es 1993 als B-Seite von „Heart-Shaped Box“ als eine „Nirvana“-Veröffentlichung. Cobain schrieb fast alle Songs der Grunge-Rock-Legende, die im Jahr 1987 gegründet wurde und Ende 1991 mit dem Song „Smells Like Teen Spirit“ und dem Album „Nevermind“ ihren Kultstatus in die Rockgeschichte einzementierte. Bis zum dritten und letzten Studioalbum „In Utero“, das 1993 erschien, blieb das so. So manche Songs wie z.B. „Penny Royal Tea“ waren in ihrer „Dunkelheit“ zu weit entfernt von Grohl`s Kompositionen. „Ich kam nicht umhin, den kanadischen Verweis auf Leonard Cohens Jenseits zu erwähnen“, sagte Cobain 1993 über den Song, den er unter Einfluss enormer Magenschmerzen schrieb, und der wie die Band schnell Kultstatus erlangte. „Das war meine Therapie, wenn ich depressiv und krank war. Ich las Sachen von Beckett oder hörte Leonard Cohen, was es eigentlich nur noch schlimmer machte“, erklärte er damals lachend die Zeile, die später auch Cohen berührte. („Sit and drink Pennyroyal Tea/ I’m anemic royalty/ Give me a Leonard Cohen afterworld/ So I can sigh eternally“). „Ich bedauere, dass ich nicht zu diesem jungen Mann sprechen konnte … es gibt immer Alternativen, und ich hätte ihm möglicherweise helfen können“, so Cohen später.
Nach dem Freitod Kurt Cobains am 5. April 1994 in Seattle, Washington, löste sich die Band sieben Jahre nach ihrer Gründung auf. Das musikalische Erbe der Band wird seither durch eine Gemeinschaft von seiner Witwe Courtney Love sowie den beiden Ex-Bandmitgliedern Krist Novoselić und eben Dave Grohl verwaltet.
Laut Grohl gibt es die Foo Fighters, deren Bandnamen als „Leuchterscheinungen“ aus der Ufologie und Parawissenschaft zu übersetzen ist, nunmehr seit 1994. Auch wenn sich die Besetzung der Band seitdem immer mal wieder geändert hat, gibt es doch einige große Konstanten in der grundsympathischen Rock-Kombo. Der ehemalige Nirvana-Drummer ist Gründer der Foo Fighters und prägt die Band bis heute mit seinem kraftvollen Gesang und einem verlässlich stadiontauglichen Gute-Laune-Rock-Sound. Was die Foo Fighters von Nirvana unterscheidet? Seitdem Grohl mit 1993/1994er-Nirvana-Gitarrist und Kollege Pat Smear die Nachfolge-Band gründete, machen sie keinen experimentellen Avantgarde-Rock, keinen verkopften Indie-Rock, sondern einfach nur großartigen Rock!
Kein Wunder also, dass die Jungs mit ihren bisherigen Alben begeistert haben. „Foo Fighters“ (1995), „The Colour and the Shape“ (1997), „There Is Nothing Left to Lose“ (1999), „One by One“ (2002), „In Your Honor“ (2005), „Echoes, Silence, Patience & Grace“ (2007), „Wasting Light“ (2011) und „Sonic Highways“ (2014) konnten ebenso wie das Vorgängeralbum „Concrete and Gold“ (2017) und das Pandemie-Album “Medicine at Midnight” (2021)stets überzeugen. Die Alben klingen wie der Soundtrack zu den vielzitierten neun Leben einer Katze. Die Band hat seit Anbeginn ihrer Zeit Höhen und Tiefen, Trennungsgerüchte und Besetzungswechsel erfahren. Die Foo Fighters standen nicht selten vor dem Aus. Aber wie Katzen landeten sie immer wieder auf ihren Pfoten und überlebten auch etwas höhere Abstürze. Den ersten erwartete man schon nach dem zweiten Album.
„The Colour And The Shape“ aus dem Jahre 1997 war die Punktlandung nach dem Höhenflug des ersten schlichtweg „Foo Fighters“ genannten Albums 1995. Ebenso erschien „Concrete and Blonde“ nach Trennungsgerüchten. Das zweite Album kam kurz nach der umjubelten Erst-Tournee heraus, die die Band fast eineinhalb Jahre „on the road“ hielt und erstmals von den Staaten bis Südostasien kreuz und quer durch die Welt führte. In den USA kassierte das Quartett eine Platinauszeichnung sowie einige „Best New Artist“-Awards. Ihre Fans hievten sie in die Leser-Polls der Zeitschriften Rolling Stone und Spin. Und schließlich wurden sie 1996 mit dem MTV Video Award für das „Best Group Video“ ausgezeichnet. Selbst im 1000 Seiten schweren „Rough Guide Rock“ wird das Debütalbum der Foo Fighters als eine der wichtigsten Veröffentlichungen des Jahres 1995 geführt. Doch statt sich ein wenig auf den Lorbeeren auszuruhen, zogen sie sich wieder für mehrere Monate ins Studio zurück. So machten sie es auch, als Dave Grohl auf der Tour 2015 sein Bein brach.
„The Colour And The Shape“ war damals dem Titel entsprechend das form- und farbschöne rote Kreuz im damaligen Rockkalender. Hatte Dave Grohl das erste Album der Foo Fighters noch quasi im Alleingang eingespielt, war „The Colour And The Shape“ das erste richtig kollektive Projekt. Pat Smear (guitar), Nate Mendel (bass) und William Goldsmith (drums) – der allerdings schnell von Taylor Hawkins abgelöst wurde – standen damals noch wie eine Eins hinter Dave Grohl und machen ihrem Ruf als „Hard-Core Beach Boys“, den sie sich live erspielten, alle Ehre. Einen „hell of a job“ erledigte auch Produzent Gil Norton, der seinerzeit den Sound der Pixies optimierte. Auch die Foo Fighters profitierten von dem Geschick des New Yorker Studioprofis, der das Quartett immer wieder zu neuen Takes antreten ließ, um den perfekten Moment einzufangen. Das ist ihm eins ums andere Mal gelungen.
Von der Single „Monkey Wrench“ über Songs wie „Everlong“ und „February Stars“ bis zum finalen „New Way Home“ ist „The Colour And The Shape“ bis heute ein melodietrunkenes und detailgenaues Großereignis: big sound, big time. Lediglich das verspielte Intro „Doll“ und „Walking After You“, ein Demo, das Dave Grohl im Studio eines Radiosenders in Washington aufnahm, wurden ungeschliffen aufs Album genommen. „Wir wollten auf keinen Fall ein Lo-Fi-Keller Projekt“, so Dave Grohl, „ich kann mir die Bands schon nicht mehr anhören, die gute Popsongs schreiben und sie dann auf einem Achtspurgerät aufnehmen, weil sie denken das wäre Punk-Purismus. Das ist nichts für unsere Band. Es gibt Stücke, da singe ich Falsett oder andere, bei denen vier oder fünf Gitarrenparts gleichzeitig zu hören sind. Ich dachte mir, lieber einen Sound wie Queen als einen wie Rapeman.“
Ein Foo Fighters-Motto ist übrigens „value for money“. Denn einen echten Gegenwert für ihr Geld bekommen die Fans bei den Foo Fighters-Auftritten zumeist. Entweder treten noch ein paar Musiker anderer Bands als Gäste auf, oder aber sie spielen mindestens drei Stunden. „Shit von all unseren Alben spielen“, kündigte Grohl im Vorfeld von „Rock am Ring 2023“ an.
Die Foo Fighters genießen dieses Pathos eine der letzten großen Stadionrockbands dieser Tage zu sein. Ein solches „foorioses“ Rockgewitter wird es auch 2023 wieder geben, wenn die Foo Fighters die „Rock am Ring/ Rock im Park“ Festivals am ersten Juni-Wochenende (2.-4.Juni 2023) rocken und das neue Album „But Here We Are“ präsentieren. Mehr Infos unter: www.rockamring.de und www.foofighters.com. Anbei auch der aktuelle Spielplan der Foo Fighters beim #RaR2023. Text & Pics: Prof. Dr. Christof Graf