The Future, 1992 (Sony/Columbia 472498) = Neuntes von insgesamt vierzehn Studioalben Leonard Cohens.
Total Time: 59:37
- The Future (6:41)
- Waiting For The Miracle (7:42)
- Be For Real (4:29)
- Closing Time (5:58)
- Anthem (6:06)
- Democracy (7:13)
- Light As The Breeze (7:14)
- Always (8:02)
- Tacoma Trailer (instrumental) (5:57)
„The Future“ ist im Jahre 1992 in Los Angeles aufgenommen worden. Sein ursprünglicher Arbeitstitel war „Busted“, obwohl auch „Be For Real“ (einer der beiden Coversongs des Albums) dafür in Frage kam, bevor die endgültige Entscheidung schließlich zugunsten von „The Future“ fiel. Es waren wieder viele der Musiker seiner 1988er Tourneeband dabei, und das Album profitiert auch wieder vom Backgroundgesang von à Jennifer Warnes. Der Produzentenstatus wurde offen vergeben an à Steve Lindsey, à Bill Ginn, à Leanne Ungar, Yoav Goren und à Cohens damaliger Lebensgefährtin und Schauspielerin Rebecca de Mornay, die diese Ehre mit Cohen selbst teilten. Die „golden voice“ wurde tiefer und voluminöser. Angereichert mit weiblichen Chören, zauberte Cohen auf seinem einzigen Studio-Album der 90er Jahre wärmeverbreitende Melodien zu knallharten Texten. „Give me crack and anal sex“, schreibt er in „The Future“ und „itʼs coming with the tidal flood“ in à „The Democracy“. Aber auch wenn die Texte der „Zukunfts-Songs“ mitunter sarkastisch wirken, betrachtet Cohen das Album, für das er sich wiederum fast fünf Jahre Zeit ließ, nicht als pessimistisches Werk, obwohl er schreibt: „Baby, Iʼve seen the future, it is murder“. „Hier geht es mehr um das, was hinter dem Pessimismus steht. Ein Pessimist ist einer, der ständig auf den Regen wartet; ich dagegen bin – zumindest in diesem Song – ständig nass.“ Es geht also um den Tanz auf dem Vulkan, um den Tanz um die Zukunft. Zynisch, ironisch, realistisch. Und genau diese Thematik verpackt der Rockbarde in wie Tanzmusik anmutende Rhythmen und Melodien. Cohen klagt nicht an, er stellt fest und nimmt die Fakten als Tatsachen hin. Wie auf einigen Vorgänger-Alben greift Cohen für das „Future-Album“ Texte zweier anderer Autoren auf. à „Always“ basiert auf einem Text von à Irving Berlin aus dem Jahre 1925 und „Be For Real“ von à Frederick Knight aus dem Jahre 1975. Das Album „The Future“ offenbart Cohens zunehmende Freude an Computer-Kompositionen, die er mit dem Instrumental à „Tacoma Trailer“ stimmungsgerecht ausklingen lässt. Das „Encore“ dazu – in Form von à „Ten New Songs“ sollte neun Jahre auf sich warten lassen. Dennoch ist „The Future“ ein merkwürdiges Album, so diskutiert es zumindest die Fanbase. Es schafft es, gleichzeitig witzig und melancholisch zu sein. Keiner der beiden Züge ist neu: Im Gegensatz zu der falschen Annahme des Publikums, hat Cohen in seinem Werk oftmals Humor einfließen lassen, wenn auch einen sarkastischen, schwarzen Humor. Melancholie war ein viel häufigerer Zusatz. In diesem Fall deprimiert den Künstler jedoch eher die Gesellschaft als seine persönliche Situation. Teilweise mag dies darauf zurückzuführen sein, dass Cohen in Los Angeles wohnt, das von Professor Ira B. Nadel sehr passend als ein „geologisch und politisch instabiler“ Ort beschrieben wird. Sicherlich werden die 1992er Aufstände, die mehrere Geschäfte, in denen Cohen Stammgast war, zerstörten, seiner Stimmung nicht gerade zuträglich gewesen sein. Cohen selbst jedoch sah den Zusammenbruch der à Berliner Mauer 1989 als sehr wichtig für das Album an. Cohen nahm zu diesem Thema eine unorthodoxe Haltung ein. „Obwohl es unmöglich ist, sich nicht mit all diesen frohen Menschen zu freuen“, sagte er, „hatte ich alleine für mich mit meinen Freunden eine traurigere Prophezeiung gemacht.“ Er teilte den allerorts üblichen Optimismus, dass die Demokratie dabei war, in den neu-liberalen östlichen Staaten aufzublühen. Obgleich sich manche Songs als schwierig herausstellten, wenn es darum ging, sie einzuspielen, und sie im Studio umgeschrieben werden mussten, bestätigte „The Future“ Cohens kommerziellen Erfolg. Das Album bekam nur wenige Monate nach der Veröffentlichung Platin in Kanada. 1993 gewann Cohen dadurch einen Juno à Award für den besten männlichen Sänger, und im folgenden Jahr gewann à „Closing Time“ einen weiteren Preis für das beste Rock-Video. Die neue dunkle Stimme, die man auf à „Iʼm Your Man“ zu hören bekommen hatte, war auch auf „The Future“ noch ebenso, obwohl Cohen 1990 aufgehört hatte zu rauchen. Wenn überhaupt, war die Stimme noch tiefer. Diese Tatsache, zusammen mit dem schwarzen Humor, dem geschickten Text und einer eher Mainstream-Rock-Musik, ließen Cohen eine onkelhafte Rolle zukommen – der gealterte Überlebende der philosophischen Kriege vergangener Tage kehrte zurück, um weise, geistreiche und kritische Meinungen über die zeitgenössische Gesellschaft an die jungen „Nichten und Neffen“ in seinem Publikum weiterzugeben. Nach dreißig Jahren war Leonard Cohen cooler als jemals zuvor.