KW-11-2018: Der Mann, der Leonard Cohen zum Großvater machte – RUFUS WAINWRIGHT – Live in Reutlingen am 4.4.2018 im „Franz K.“

Der Mann, der Leonard Cohen zum Großvater machte

Oder

Ein Faible für das „Out Of The Game“-Album von RUFUS WAINWRIGHT

Rufus Wainwright – Diva oder Dandy? – Der exzentrische Kanadier auf Deutschlandtournee und am 4. April 2018 in Reutlingen

Text & Fotos: Prof. Dr. Christof Graf

Rufus Wainwright wurde am 22. Juli 1973 in Rhinebeck, New York, geboren als Sohn der Folkmusiker Loudon Wainwright III und Kate McGarrigle. Rufus Wainwright, der Bruder von Martha Wainwright, ist ein kanadisch-US-amerikanischer Singer-Songwriter und Komponist – und seit kurzer Zeit auch Vater des Enkels von Leonard Cohen. Rufus Wainwright hat sieben Studioalben und zahlreiche Songs für Filmsoundtracks aufgenommen, eine klassische Oper komponiert und für ein Theaterstück des Regisseurs Robert Wilson Shakespeare-Sonette vertont.

 Für sein Album “Out Of The Game” hatte sich Rufus Wainwright einst mit Produzent Mark Ronson zusammengetan. „Es ist das poppigste Album, das ich je gemacht habe”, sagt Rufus, während Mark Ronson meint: “Es ist das beste Album meiner Karriere.” Dass beide Recht haben, bestätigt jeder einzelne Track dieses besonderen Albums. Die zwölf Nummern von “Out Of The Game” wie musikalische Kronjuwelen.

Die Songs des neuen Albums gehören zweifellos zu den besten, die Rufus Wainwright im Laufe seiner Karriere aufgenommen hat: angefangen beim fulminanten Titelsong (der auch die erste Single ist) über den Gospel-gefärbten Rock von “Jericho” und die schiere Schönheit von “Sometimes You Need” bis zum emotionalen “Candles”.

Zu den Musikern, die Wainwright hier begleiten, gehören u.a. die Dap-Kings (mit denen Ronson schon Amy Winehouses bahnbrechende CD “Back To Black” und seine eigene “Record Collection” aufgenommen hat), Wilcos Nels Cline, Nick Zinner von den Yeah Yeah Yeahs, Andrew Wyatt von Miike Snow, Sean Lennon und Martha Wainwright.

Wenn zwei passionierte Eklektiker wie Mark Ronson und Rufus Wainwright aufeinander treffen, kann man sich auf ein musikalisches Feuerwerk gefasst machen. Während Mark der Ansicht ist, dass “Out Of The Game” einen “wirklichen 70er-Jahre-Laurel-Canyon-Spirit” hat, zitiert Rufus als Einflüsse “all die Großen – Elton [John], Freddie Mercury, David Bowie, im Grunde die Schrillen und Schönen. Es ist also sehr Rufus.”

Keine Frage: “Out Of The Game” reflektiert all dies und noch viel mehr. Mit “Out Of The Game” veröffentlicht Rufus Wainwright übrigens die erste eSingle seines neuen, gleichnamigen Albums, das von Mark Ronson produziert wurde.

Das Stück ist der perfekte Appetizer für ein wunderbar eingängiges Album, das ohne falsche Scham den Geist der 1970er Jahre heraufbeschwört und zelebriert. Und das Titelstück ist ein wahres Kronjuwel, das – obwohl es unverkennbar Wainwrights Handschrift trägt – mit seinem soulig-gospeligen Background-Gesang, den Piano- und E-Gitarren-Parts ein wenig nach Steely Dan in ihren besten Zeiten klingt.

Zu dem Song inspirierten ihn, so verrät Rufus, die heutigen Kids mit ihrer Obsession für YouTube. “In den beiden ersten Strophen beklage ich mich, aber in der dritten schwingt dann auch ein wenig Neid mit”, sagt der Sänger. “Ich wäre gerne wieder in diesem Alter und so Banane, mich für solch idiotische Dinge zu begeistern.“

“Out Of The Game” war eines der mit am meisten Spannung erwarteten Alben des Jahres 2012. Zu den weiteren Highlights von Rufus Wainwrights siebtem Studioalbum zählen auch noch die gospelige Rocknummer “Jericho” und die beiden klassisch-minimalistischen Songs “Montauk” und “Candles”. Letzteres ist eine zu Herzen gehende Ode an die 2010 verstorbene Mutter des Künstlers: Sängerin Kate McGarrigle.

Alles in allem erinnert einen dieses Album auf wundervolle Weise daran, dass man bei Rufus Wainwright immer wieder auf ein musikalisches Wunder gefasst sein sollte. “Out Of The Game” ist jedenfalls eines und passt zum Leben eines Künstlers, der zwischen Diva und Dandy-Dasein hin und hergerissen ist.

Rufus Wainwright ist drei Jahre älter als seine ebenfalls als Singer/ Songwriterin bekannte Schwester Martha. Er wuchs nach der Scheidung der Eltern bei seiner Mutter und seiner Schwester in Montreal, Kanada, zweisprachig auf, hat aber heute seinen Hauptwohnsitz in New York City. Laut eigenen Aussagen ist er bisexuell und lernte bei einem Konzert in der Berliner Passionskirche seinen langjährigen Lebensgefährten, Jörn Weisbrodt aus Berlin, kennen. Die beiden leben zusammen in New York. Sie haben sich Ende 2010 verlobt. Die Hochzeit ist geplant für den 23. August 2012 in Montauk, New York. Kurios dagegen ist seiner Verbindung zu Lorca Cohen, Leonard Cohens Tochter, die am 2. Februar 2011 die gemeinsame Tochter Viva Katherine Wainwright Cohen in Los Angeles zur Welt brachte. Lorca Cohen lernte Rufus in Montreal kennen und lieben, auch wenn er die klassische Ehe nicht zelebrierte und die Tochter bei Lorca im selben Haus mit dem Großvater Leonard wohnt.

Was ihn wirklich dazu veranlasste, Vater zu werden, erzählte er dem Classic Rock-Magazin im April 2012 so: „Nun, ich hatte das eigentlich nie vor. Was wahrscheinlich genau der Grund sein dürfte, warum es passiert ist. Denn meine Mutter war sehr krank, und eine gute Freundin von mir wollte unbedingt ein Kind. Also habe ich meine Mutter gefragt, was sie davon hält. Und sie meinte nur: ‚Rufus, du musst das tun.‘ Also habe ich mitgespielt. Und im Nachhinein war es die richtige Entscheidung. Wobei ich vermute, dass meine Mutter vor allem besorgt um mein eigenes Wohlergehen war. Denn als die Mutter meines Vaters starb, wäre auch er um ein Haar gestorben. Er war extrem deprimiert und musste sich in ärztliche Behandlung begeben. Und als die Mutter meines Großvaters starb, war es tatsächlich so, dass er ihr nur ein Jahr später gefolgt ist – weil er den Verlust nicht verkraften konnte. Von daher ist da diese heftige Mutter-Sohn-Beziehung in meiner Familie. Und ich denke, sie hat sich ernsthafte Sorgen gemacht, was mit mir passieren könnte. Ein Kind zu bekommen, hat mir da definitiv geholfen.“

Damit schafft es Rufus Wainwright eine neue-Dynastie zweier kanadischer Musikerfamilien zu kreieren. „Das ist so eine Sache mit Tradition. Eben, dass sich zwei Familien, die im selben Geschäft sind und gut miteinander klarkommen, dazu entscheiden, ihre Kräfte zu bündeln. Und man darf nie vergessen: Meine Eltern waren zwar bekannt, aber nie superreich. Sie hatten schwere Phasen in ihren Karrieren. Was auch für Leonard gilt, der einen ganz tiefen Fall erlebt hat. Von daher müssen wir als Musiker zusammenhalten.“ Und wie denkt Leonard Cohen über diese Verbindung? „Ich denke, er war sehr glücklich. Denn er verbringt viel Zeit mit Viva. Und sie leben ja alle in LA. Von daher ist er einfach happy. Und da er sich gut um sich kümmert, wird er das wohl auch noch einige Zeit bleiben, da bin ich mir sicher.“

Dem Rolling Stone erzählte er ähnliches: Lorca kommt allerdings in dem Song, den Wainwright der kleinen Viva widmet, nicht vor – stattdessen „your other dad“, sein Lebensgefährte Weisbrodt. „I may not be so manly/ But still I know you love me“, hat Wainwright in „Beauty Mark“ auf seinem Debüt gesungen – so eine Tochter muss aber doch das Gefühl der eigenen Virilität beeinflussen, oder, fragt der Rolling Stone Rufus Wainwright: „Ich bin auf jeden Fall männlicher geworden“, sagt Wainwright. „Ich meine das vollkommen ernst. Ich bin sozusagen den nächsten Schritt in der männlichen Erziehung gegangen. Ich habe meine Mutter verloren und ein Kind gezeugt. Man muss eine toughere, unversöhnlichere und zugleich gelassenere Haltung entwickeln, um mit all dem klarzukommen, was das Leben für einen bereithält. Man hat nicht mehr die gleiche Unterstützung und muss zugleich ein Kind großziehen. Das wird schwer. Aber ich werde meinen Mann stehen und das durchziehen.“

Sein väterliches Engagement hält sich allerdings noch in Grenzen, verrät er, denn Viva lebt bei ihrer Mutter, die zwischen Los Angeles und Paris hin-und herjettet, während Wainwright weiter in New York lebt. „Ich bin leider zu viel unterwegs, um sie oft zu sehen“, sagt er. „Aber ich schätze, es ist eine alte Familientradition, dass ein Elternteil immer fort ist.“ In seinem Fall war es natürlich sein Vater Loudon Wainwright, der sich von seiner Mutter trennte und mit der Familie hauptsächlich über seine Lieder kommunizierte.

In seinen Konzerten spielt Wainwright übrigens zumeist Klavier und Gitarre. Bei einigen (zumeist Studio-)Aufnahmen kommen jedoch verschiedene Instrumente bis hin zum großen Orchester zum Einsatz. Analysiert man seine Alben und Lieder, spiegelt sich in den Songs Wainwrights anhaltende Begeisterung für die Oper wider. Die Texte sind voller Anspielungen auf Opern, auf Literatur und Popkultur. In dem Stück „Barcelona“ erscheint eine kurze Textpassage aus der Oper Macbeth von Giuseppe Verdi. Er vertonte auch das Sonett Nr. 29 „When, in disgrace with fortune and men’s eyes” von William Shakespeare. Einige seiner Stücke wurden als Popera (Pop Opera) beschrieben, oder auch als Baroque Pop.

Eine weitere Verbindung zu Leonard Cohen ist das New Yorker Chelsea Hotel. Dort schrieb er die Songs für sein zweites Album „Poses“ während eines sechsmonatigen Aufenthalts im Jahre 2000/2001. Wainwright wurde in Nordamerika bekannt, als er mit seiner Band 2001/02 als Vorgruppe für Tori Amos spielte.

Am 14. und 15. Juni 2006 gab Rufus Wainwright in der legendären New Yorker Carnegie Hall ein Konzert zu Ehren von Schwulen-Ikone Judy Garland. Das Konzert gleicht dem berühmten Carnegie Hall Konzert von Judy Garland von 1961 von der Setlist bis in kleine Einzelheiten. Bei diesem Konzert wurde Rufus Wainwright unter anderem von seiner Mutter Kate McGarrigle, seiner Schwester Martha Wainwright und der Tochter von Judy Garland, Lorna Luft, begleitet.

2006 war Rufus Wainwright übrigens auch in dem „I`m your Fan“-Leonard Cohen-Tribute Projekt involviert. Sowohl musikalisch als auch filmisch.

„Ich denke, es gibt nur wenige Künstler, die sich so weit vom Pop entfernt haben wie ich“, sagt Rufus Wainwright und hat wohl damit Recht.

(Der Originaltext erschien im HIFI MAGAZIN HÖRERLEBNIS nr. 81)

2018 ist Rufus Wainwright wieder in Deutschland live zu sehen. Ein erstes Konzert gibt es am 4. April in Reutlingen.

tickets bei eventim :

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oder bei Franz k

http://mobil.franzk.net/events/view/id/164381/date/1522792800