KW-22-2018: Guns`n `Roses – Live in Mannheim – Die Zweite. Nach 1991 treten GUN`S N`ROSES heute am 24. Juni 2018 in Mannheim, Maimarktgelände zum zweiten Mal auf. Vor 27 Jahren schrieb ich über das Konzert am 24. August 1991 folgenden Artikel in dem Buch „Kulturmarketing“.

Foto: Christof Graf

Quelle: KULTURMARKETING, Wiesbaden, 1995, S. 185 – 191

Guns’n’Roses – Der Triumphzug des Traums von „Sex, Drugs & Rock’n’Roll“ beginnt mit einem einzigen Konzert in Deutschland als Open Air

Als „die größte Sensation des Konzert-Sornmers ’91“ priesen die Veranstalter Marek Lieberberg und Ossy Hoppe das einzige Konzert der „neuen“ Bad Boys des Rocks am 24. August 1991 auf dem Mannheimer Mai-Markt-Gelände an. Fürwahr lassen sie den Mythos von „Sex, Drugs & Rock’n’Roll“ wieder aufleben. Auch lassen sie sich gerne als „die frühen Stones der 90er Jahre“ feiern. Den Ruf, als „gefährlichste Band der Welt“ zu gelten, hören sie noch lieber. „Das ist es doch, was den Rock’n’Roll ausmacht“, meint Band-Leader und Sänger Axl Rose und rechtfertigt damit das oft sinnlos und gar affektiert wirkende „Aufgebausche“ von Horror-Stories, wie sie seit Bestehen der Band die Runde machen. So etwas wie die Stones gab es halt nur einmal in der Geschichte des Rock’n’Roll. Und was dieses „etwas“ war, weiß bis heute eigentlich immer noch niemand. Die Stones sind eben die Stones. Und die Geschichte, und sei es auch nur die Rockgeschichte, hat eben ihre eigenen Gesetze. Und Gesetze, so schön es auch klingen mag, sind zwar da, daß sie gebrochen werden, unterliegen eben jener dieser Rockgeschichte. Und die, das soll hier nocheinmal ganz klar und deutlich gemacht werden, läßt nur einmal so etwas wie die Stones zu. Nicht umsonst für über 25 Jahre. Auch wenn ein Axl oder Slash einem Jagger/ Richards noch so sehr, wenn auch nur in deren Show-Gebärden, nacheifern, neben der Rockgeschichte gibt es noch „etwas“, was sich nicht verarschen läßt: das Publikum. Soviel zur Andacht.

Doch zurück zur Entmystifizierung von Guns ’n ‚Roses. Die Band, die seit ihrer Gründung 1985 in Los Angeles, und spätestens seit ihrem für viele Musik-Kenner unverständlicherweise zum Megaseller gewordenenen Album „Appetite For Destruction“ Starkult vom Feinsten betreibt, ist lediglich ein Produkt des Marktes, und will man ihr trotzdem ein Kompliment machen, ein Produkt der Rockgeschichte. Denn nur sie hat mit ihren Einflüssen die Macht, „etwas“ aus einer Band zu machen. Vorausgesetzt die Band hat ein Potential und der Markt eine Nachfrage. Letztere bestand zumindest durch den scheinbar durch die Kommerzialiserung der Musikbranche bis aufs Minimum reduzierten Mythos von „Sex, Drugs and Rock’n’Roll,“ welchen die Band befriedigte. Ein Minimum an Potential bestand im Posing von Frontmann Axl Rose und in einem für eine junge Rockband eigentlich ungewöhnlichen Gitarristen mit Format eines Jimmy Page.

Doch bevor die Guns’n’Roses an den Strand der Rockbegeisterten gespült wurden hatten sie so manchen Stein aus ihrem Weg zu räumen. Dies gelang nach dem 1986 noch beim bandeigenen Label „Uzi Suicide“ veröffentlichten Debüt „Live Like A Suicide.“ Von da an begann denn erst das Interesse der Major Companies. Geffen ließ die Guns mit einem ersten Album „Appetite for de-struction“ schießen. Weltweit wurden von diesem Album bis 1991 ca. 16 Millionen Exemplare verkauft. Das Nachfolge-Album „Lies“ schaffte immerhin die 5 Millionen-Marke.

Doch die Band mit Izzy Stradlin(gif), Duff „Rose“ McKagan(bg), Steven Ad-ler[dr), Axl und Slash machte vor allem mit den Eskapaden der beiden letztgenannten von sich reden. Hierzu gehören solche, für den seltsamen Humor der beiden sprechenden Fehltritte, wie Alkohol und Drogenexzesse oder die eingeschlagene Nase eines David Bowie, welcher die Liebste von Axl zu sehr beäugt hatte. Von den ständigen Presseschikanen und Interviewabsagen ganz abgesehen.

Erwähnt seien hier nur die unnötigen Fotografierverbote, welche auf das Konto eines cleveren Fotografen namens George Chin gehen, der die Band seit ihrer Gründung unter einem Exclusiv-Vertrag stehen hat. Wollen die Fans in ihren Magazinen also Fotos von ihren Idolen, sind sie von der Gunst und Geldgier eines George Chins abhängig. Denn der verkauft entweder seine Fotos exclusiv oder läßt andere Fotografen und Agenturen für harte Dollars mit in den Fotograben gehen.

Wohl unterstützt von Axl, denn der, erblickt er zumindest in den vorderen Reihen eine Kamera, bricht gar ein Konzert ab, um dem Fotogeilen einen Bowie-ähnlichen Knock-Out zu verpassen. So geschehen, und kurz vor dem Mannhei-mer-Konzert in allen Medien verbreitet, bei einem Konzert in den Staaten in Missouri.

Aber auch solche Skandälchen wie das Pinkeln eines Izzys in den Gang eines Flugzeuges, Axls Prügel für seine Nachbarin, und diverse Gefängnisaufenthalte lassen Dichtung und Wahrheit eins werden, wenn es um die Schaffung einer Kultband geht.

Erinnerungen an die Stones werden wach? Naja, da lob ich mir doch das Original.

Mit denen spielen Axl und Slash & Co. gar vier Mal im Vorprogramm auf deren „Steel Wheels-US-Tour 1989.“ Axl tritt gar noch einmal bei deren „Urban-Jungle-Europe-Tour 1990“ in Barcelona an die Seite von Jagger. Dies und nicht zuletzt Songs wie „One In A Million“ vom „Lies“-Album, in dem außer Bullen auch Schwarze und Schwule angegriffen werden, eben in einer Sprache, wie man sie in den Straßen von LA spricht, und eben auch „wie sie die Kids sprechen und verstehen“, so zumindest ein Promo-Text, machen Guns ‚« Roses zum Gewaltakt in jeglicher Hinsicht.

Da bis ins Jahr 1991 das Management der Guns die Anweisung hatte, sämtliche Interviews, und die waren gerade zu der Zeit schwieriger zu bekommen, als ein Date mit dem Papst, gegenzulesen und unautorisierte Aussagen mit Gerichtsklagen zu verhindern, war man in der Vorbereitungsphase des einzigen Konzerts in Deutschland im Rahmen einer zweijährigen Welttournee auf ein paar wenige Aussagen aus der Pressemappe angewiesen. Doch die sollen uns hier, bis auf die lächerliche Anmaßung „die Stones und die Roses sind Brüder im Geiste“, erspart bleiben. Vielmehr soll auf die schon im Frühjahr 1991 angekündigte „Konzert-Sensation“ hingeleitet werden.

Und die begann im wahrsten Sinne des Wortes mit Gewehrfeuer und Rosenzauber. Gleich zwei namhafte Musikzeitschriften machten es ihren amerikanischen Kollegen nach und bannten Axl im August mit der Headline „Wer hat Angst vor Axl RoseT  (MUSIKEXPRESS/SOUNDS), sowie Slash und Axl mit einer Titelstory (FACHBLATT MUSIKMAGAZIN) aufs Front-Cover. Die monatlichen Hard-Rock-Bibeln METAL HAMMER, ROCK HARD, ROCK POWER standen ihnen in zahlreichen Vorberichten in nichts nach. Lediglich das in Neckarsteinach angesiedelte BREAK OUT ließ sich nicht vom Rosen-Fieber anstekken. „Da Capo“ sollte hier für BRAVO stehen. Und sogar der STERN ließ sich nicht lumpen. Doch nicht nur dessen Vorbericht sollte der Grund für das von der Konzertagentur Lieberberg & Hoppe gemeldete „Sold out“ sein. Ein Sold out, das es üblicherweise bei Open-Air-Veranstaltungen selten gibt. Ein Sold out das allerdings auch aus Sicherheitsgründen auf 60.000 Zuschauer beschränkt war und somit die Schwarzmarktpreise für ein Ticket von 60 Märker in schwindelnde Höhen trieb. Ein Tag vor dem „Tag X“ wurden in München Preise von DM 450 laut. Doch diese sanken eine Stunde vor Konzertbeginn auf DM 10! Der Markt regeneriert sich von selbst, als Trost einer künstlich zum Kult erkorenen Band.

In der Befürchtung eines Wiederholungsfalles von Missouri überschrieb die DPA zwei Tage vor dem Konzert eine Meldung mit „1000 Ordner sorgen für „Rock ohne Gewalt“.“ Inhalt dieser Meldung war der Wunsch nach einem „friedlichen“ Konzert: „Veranstalter und Polizei stellen rund 1000 Sicherheitskräfte, welche Kosten von mehreren Hunderttausend Mark verursachen werden, so Einsatzleiter Hartmut Lewitzki von der Mannheimer Polizei im Vorfeld. Zum Konzert wird eine Anti-Gewalt-Kampagne unter dem Motto „Rock ohne Gewalt“ mit Aufklebern und Plakaten vorbereitet. Knapp 100 Sanitäter und Ärzte werden im Einsatz sein. „Die Polizei will das Maimarktgelände mit Gittern in drei Blocks zu je rund 20.000 Zuschauern aufteilen. Etwa fünf Meter breite Gänge zwischen den Blocks sollen mit einem starken Aufgebot von Sicherheitskräften freigehalten werden. Der gesamte Ablauf des Konzertes werde aus der Luft mit Hubschraubern und Video überwacht. Neben den üblichen Einlaßkon-trollen auf Waffen, Flaschen und Alkohol werden Beamte der Kriminalpolizei auch in Zivil auf den Parkplätzen rund um das Gelände besonders auf Rauschgiftmißbrauch achten,“ so Lewetzki weiter.

Das Zittern nahm im Vorfeld also kein Ende. Den anströmenden Massen wurde noch einmal per Riesenplakat mit der Aufschrift „Danke für das „SOLD OUT““ seitens Marek Lieberberg und Ossy Hoppe gedankt. Die M.Lieberberg-Konzertagentur wandte sich auf der Rückseite des „Rock ohne Gewalt-Handzettels“ noch einmal mit folgenden Worten an die Gemeinde der vermeintlichen Unruhestifter Guns ’n ‚Roses: „Liebe Freunde, wir allen freuen uns auf Guns ’n ‚Roses und ihre Gäste. Als Veranstalter und Fans wissen wir, daß Guns ’n ‚Roses eine unkonventionelle Gruppe ist. Dies macht auch ein Großteil ihrer Faszination aus.

Es hat in der Vergangenheit Schwierigkeiten bei Konzerten gegeben, die von bestimmten Medien unnötig aufgebauscht und verzerrt dargestellt wurden. Deshalb ist es wichtig, daß wir alle gemeinsam unsere Absicht einer friedfertigen und reibungslosen Veranstaltung bekunden und gegenseitig Rücksicht nehmen, auch wenn einmal etwas Unvorhergesehenes geschieht. Bitte beachtet die Hinweise des Ordnungsdienstes und die Richtungsballons.

Dieses Festival soll für uns alle ein besonderes Ereignis werden. Deshalb muß absolute Gewaltlosigkeit unser aller Anliegen sein. Wir bitten deshalb besonders herzlich um Eure persönliche Unterstützung für die Zielsetzung. Sollte es im Rahmen der Veranstaltung zu Verzögerungen oder Verspätungen kommen, so nehmt diese mit der Ruhe eines Rock ’n Rollers hin. Wir werden Euch stets auf dem Laufenden halten, falls dies eintreten sollte. Denkt daran: „It’s only Rock’n’Roll and we like it – but don’t fight it!““ Soviel also in Sachen Vorfeld „der Konzert-Sensation im Sommer ’91“. Am TagX war man dann von einem wirklich gutorganisierten und trotz oder gerade wegen des Großaufgebotes an Uniformierten friedlichen Ablaufs zumindest bis zum Beginn des Guns ’n ‚Roses-Acts angenehm überrascht. Während die Presse in ihrem Areal, wie in einem Käfig gleich, Gäste beim wirklich gelungenen und sehr großzügigen Kalten Büffet im GEFFEN-Areal und die Fans in ihren Blocks bei herrlichem Sommerwetter der bevorstehenden Action entgegenfieberten, eröffneten Nine Inch Nails überraschenderweise das Spektakel. Wer auf die auf Karten und Plakaten ausgedruckte Anfangszeit von 17.00 Uhr setzte, verpaßte gar den Opener „Slave To The Grind“ der amerikanischen SkidRow. Doch sowohl die „Nägel“ als auch die Mannen um Sebastian Bach waren für die knapp 70.000 Fans nur musikalisches Beiwerk. Und auch der „stage-diving“ erprobte Sebastian konnte mit seinem Hechtsprung ins Publikum nur die vorderen Reihen begeistern. Nach Songs wie „Get The Fuck Out“, „Riot Act“, „Youth Gone Wild“, u.a. war nach knapp 5o Minuten und zwei Zugaben die Zeit für SkidRow um; Für Sebastian Bach, der sich bei seinem Bad in der Masse am Hals verletzt hatte, sogar der Tag gelaufen. Er mußte ins Krankenhaus.

Gerade 18.00 Uhr, vermutete man in der noch bis 22.00 Uhr verbleibenden Zeit, denn sollte das Konzert zeitmäßig überschritten werden, war eine Konventionalstrafe von satten 140.000 Dollar fällig, einen überlangen Guns ’n ‚Roses-A.ci. Doch weit gefehlt. Gute zwei Stunden harrte ein Publikum aus, das sich wohl durch gar nichts aus der Ruhe bringen lassen wollte. Auch nicht von der BILD-Hysterie-Mache vom gleichen Tag, in der ein Bild von Axl mit dem Text: „Neben seinem Bett hat Axl eine Maschinenpistole stehen, auf dem Nachttisch liegt ein 9mm-Revolver. Ohne schläft er nicht“, abgedruckt war.

Scheinbar nichts mehr konnte den Gig in Gefahr bringen. Ein Gig übrigens, das sei schon hier gesagt, der die kontroversesten Meinungen hervorbrachte. Während die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG von „Häßlichen Amerikanern“ und die SAARBRÜCKER ZEITUNG von „Genialen Nichtskönnern“ in ihrer Nachberichterstattung sprachen, ließ DIE RHEINPFALZ die Guns ’n ‚Roses „ein Signal für 60.000 setzen“ und der KÖLNER STADTANZEIGER beschrieb die „Rosen aus Stahl“ gar als „Rock-Hoffiiung der 90er.“

Und als dann ca. 20 Minuten nach Acht die Mundharmonika-Töne von Enmo Morricones „Spiel mir das Lied vom Tod“ erklangen, kannte die Spannung keine Steigerung mehr. Nachdem daraufhin irgendein Roadie etwas Unverständliches als Ankündigung ins Mikrofon plärrteund man nur dessen letzten Worte richtig verstand, begrüßte Axl die knapp 70.000 geduldig Wartenden mit „Welcome to the jungle“. Passender gings kaum mehr. Die zweistündige Umbaupause trug erste Früchte, und Axl legte sich im ungewohnten Schotten-Kilt dafür im gewohnten Stil mächtig ins Zeug. Laut, dreckig, von der Straße kommend und rüpelhaft wie kein anderer Sänger einer Band. Dazu das zweite Klüngel Slash an der Gitarre. Ein Gitarrist, der auf seinem Instrument etwas zu sagen und dies auch erzählt, im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, die meist nur viel erzählen, aber dabei nichts sagen. Und auch der neue Ex-Cu/r-Drummer Matt Sorum ist nach dem geschaßten Steve Adler eine Bereicherung an den Schlagzeugen. Weniger auffallend dagegen das neue Mitglied an den Keyboards, Diz-zy Reed. Nach der zweiten Nummer „Mr. Brownstone“ gab es dann den ersten Vorgeschmack auf die ca. „3568 Mal“ im Erscheinungsdatum verschobene LP „Use Your Illusions, Vol. I & II“.

„Bad Obsession“ und „Dust And Bones“ hinterließen jedoch weniger Eindrücke, als von einer derart spannend gemachten LP erwartet. Egal, alles, was an diesem Abend von einer Band namens Guns ’n ‚Roses kommen sollte, sollte gut sein. Schließlich war man dabei, ja, man konnte sagen, man war dabei gewesen. Spielte die Band bei ihrem letzten Deutschland-Gig im Tor 3 in Düsseldorf gerade vor 400 Leuten, hat sich der Marktwert bis zum 24.08.91 doch um ein Vielfaches potenziert. Doch weiter im Kontext. Die Stimmung stieg merklich, als die Band Paul MC Cartneys „Live And Let Die“ in einen an diesem Abend wunderschönen Sonnenuntergang in den Mannheimer Himmel schrie. Die Ly-rics zwar nur erahnend, schafft es Axl immer wieder dennoch, eine gekonnte Cover-Version dieses Klassikers hinzuschmettern. Die links und rechts von der Bühne angebrachten Video-Leinwände hatten Schwierigkeiten, den ständig von Bühnenrand zu Bühnenrand rennenden Axl ins Bild zu setzen. Doch nach dem einstigen Cartney-Hit war dann auch mal für die Kamera-Leute Schluß. Und den hatte Axl gesetzt. Die PA verstummte, Axl rannte von der Bühne, die etwas konsterniert wirkenden Restmusiker taten es ihrem Frontmann nach und nach zwanzig Minuten war erstmal Schicht.

Was war passiert? Niemand wußte es. Auf der Pressetribüne gab’s die unmöglichsten Mutmaßungen. Die Menge schien in Unruhe zu kommen, als würde eine Wolf eine Schafsherde umschleichen. Kurze Zeit später erschien Marek Lieberberg selbst auf der Bühne, um die Menge an den „Rock ohne Gewalt-Handzettel“ zu erinnern. Man habe Sound-Probleme, hieß es. Man arbeite daran, hieß es. Das Problem würde alsbald gelöst, hieß es. – Das Problem hieß in Wirklichkeit nicht Sound, sondern Axl Rose. Denn, dem paßte der Sound entweder wirklich nicht, oder er hatte doch wirklich eine unerlaubt ins Publikum mitgebrachte Foto-Kamera entdeckt und „Missouri-erinnert“ wutschnaubend über diese Schlamperei der Veranstalter schimpfend die Bühne verlassen. Einige Tausend zogen sich vorsichtigerweise in Richtung Ausgang zurück, wohl wissend, was ein drohender Wolf unter ca. 70.000 Schafen anrichten vermag. Die Zeit verging und Marek Lieberberg wollte es wohl niemand sonst zumuten, die Massen ein zweites Mal zu beschwichtigen. „Man sollte bitte Ruhe bewahren, das Konzert würde gleich fortgesetzt, sobald das Problem beseitigt sei.“ Wie erst im Nachhinein in Insiderkreisen als Top Secret gehandelt wurde, war die Tatsache, daß sich Herr Rose wirklich von irgendetwas gestört fühlte. Von was, war irgendwie allen, vielleicht ihm selbst auch nicht klar. Auf jeden Fall war er der Meinung nicht weiter spielen zu wollen. Dieser Laune entsprach wohl auch der 2 Flaschen Jack-Daniels-Genuß dieses Tages. Axl machte sich auf den Weg, das Gelände zu verlassen. Doch Festival-Profi Lieberberg entrinnt man nicht so leicht. Der wies Ordner und Polizei aus,das Gelände abzuriegeln und alles, was nach Axl Rose aussah, wenn es sein sollte auch mit Gewalt, auf die Bühne zu verfrachten. Gesagt, getan. Nach zwanzig Minuten Zwangspause erschien Axl, diesmal in Hotpants, scheinbar zur Besinnung gekommen wieder auf der Bühne, und es begann der Anfang vom Ende. Die Stärke dieses Konzerts lag in der ungeheuren Emotionalität der Songs, die die Guns ’n ‚Roses wirklich beherrschen, als sei es ihr täglich Brot. Doch das ist meist auch eine Flasche Whiskey und eine Nase voll Koks. So scheint es zumindest bei einem Großteil ihrer Darbietungen. Aber sind es nicht die wahren Künstler, die gerade in Trance, sich dennoch unter Kontrolle haben und nur ihren Künsten dabei freien Lauf lassen? Oder ist es einfach nur der vom Blues geprägte Rock, der die Massen in ihren Bann zieht? Denn nicht der Heavy Metal, wie so oft und fälschlicherweise behauptet, sondern die Wurzeln des Blues umgarnen den Bühnenboden auf dem Axl & Co. stehen. Dies zeigt sich vor allem in einer Wahnsinns-Version von Bob Dylans All-Time-Klassiker „Knockin’On Hea-ven’s Door“. Da beginnen Rosen zu blühen und Gewehre zu glühen. Davor gab’s „Civil War“, „Double Talkin Jive“, und ein mit Feuerzeugen verlängerter Sonnenuntergang bei „It’s So Easy“ und „Patience“. „November Rain“, und „You Could Be Mine“, dieses Mal ohne Arnold Schwarzenegger als Termina-tor, lassen das Konzert schon jetzt locker über die 22.00 Uhr-Grenze gehen. Ein Drum-Solo und Slash ’s Hommage an Hendrix und Paco de Lucia-Klänge leiten Songs wie „Sweet Child Of Mine“, „Nighttrain“, „Yesterdays“, „14 Years“, und „My Michelle“ ein.

Nach dem Dylan-Cover setzte die Band schließlich mit der zweiten Zugabe noch einen drauf. „Paradise City“ diente als Ausklang eines Konzert, das auf seine eigene individuelle Art und Weise seine Register der Rockgeschichte zog: Blues, Hardrock und Punk vermischt mit den Gefühlen der aggressivsten Art der 80er und 90er. Sollte man von Guns ’n ‚Roses auch noch in zehn Jahren den einen oder anderen guten Song zu hören bekommen, und sollte Axl bis dahin wirklich singen gelernt haben, würde wohl auch ich von einer Kultband sprechen. Aber bitte noch nicht jetzt.

Vielleicht aber schon im Jahr darauf. Denn Guns ’n ‚Roses sind innerhalb ihrer „Use Your Illusions“-World Tour längst zum Kult geworden. Der Lockvogel in Form eines einzigen Open Airs und Konzerts überhaupt sollte genug Werbung sein für die fünf Open Airs im Sommer’92. Nach 119 Shows in den größten Stadien der USA, Kanadas, Südamerikas und Japans des vergangenen Jahres, nach 26 Open Airs im Sommer’92 in 13 europäischen Ländern mit über 1,6 Millionen Zuschauern – davon allein 300.000 begeisterte Fans bei den fünf deutschen Auftritten – gastierten die „Gunners“ noch einmal für fünf Open Airs im Sommer’93 in Deutschland. Fazit: „Sold Out!“.