9. November 2014 – 25 Jahre after – Leonard Cohen und die DDR (2) – Keine Konzerte in OST-Berlin –

Erst nahm er Manhattan, dann nahm er Berlin

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Leonard Cohens Auftritte in Berlin (West) (1972 – 2013)

berlin1985

Ob als kanadischer Romancier oder globaler Singer/ Songwriter, die Bedeutung Berlins für Leonard Cohen ist groß. Auch wenn seine allererste Europatournee im Jahre 1970 nicht nach Berlin führte, besuchte er die damals noch hinter einer Mauer lebende Stadt regelmäßig auf seinen darauffolgenden Konzertreisen. 1972, 1974, 1976, 1979, 1980, 1985, 1988, 1993., 2008, 2009, 2010, 2012 und 2013. Kurzum, bis auf seine Debuttournee, stand Berlin stets auf jedem Tourplan von Leonard Cohen. Im Rahmen einer umfangreichen Promotion-Tournee für sein damaliges ,,Ten New Songs“-Album im Jahre 2001 besuchte er ebenfalls Berlin.

1972

Erstaunt darüber, wie gut das Publikum seine Songs kannte, stellte Cohen fest, daß sie vor allem für seine Band zu einer Art von Meditation geworden waren. Die Überraschung war jedoch, daß er eine Version des Frank-Sinatra-Standards „As Time Goes By“ zum besten gab und sie ebenso im Stil eines Entertainers vortrug, wie er seine eigenen, eher stillen Songs mit Andacht interpretierte.

Aber all das „trug wenig dazu bei, Leonard Cohen zu entmystifizieren“, notierte die Berliner Morgenpost damals über das vierte Konzert von Cohens Deutschlandtournee, das am 8. April im Berliner Sportpalast stattfand, und fuhr fort: „Da steht er, fast unbeweglich auf einem Fleck, mit seiner Gitarre auf der Bühne, erst ziemlich unbeholfen, später freier in den Bewegungen, singt viel und spricht wenig.“ (Ein Eindruck, den der spätere Tournee-Film bestätigen sollte.)

Im Hinblick auf Cohens Musik waren die Kritiker nicht zufrieden. „Bleiben also die Cohenschen Texte“, resümierte die Berliner Zeitung. „Schöne, poetische, deftige, skeptische, aber auch skurrile und nicht immer verständliche Wortgebilde“, wobei mangelnde Detailkenntnis der englischen Sprache vielleicht auch eine Rolle spielt. Provozieren konnte er damit nicht. Auch nicht mit seinem einzigen Satz in Deutsch, dem fatalen Goebbels-Ausspruch: >Wollt ihr den totalen Krieg?<, vor drei Jahrzehnten an gleicher Stelle gefallen. Er ging unter in der allgemeinen Co-hen-Begeisterung.“ Ich war ärgerlich. Das Publikum brauchte einen Führer, es war undiszipliniert. Da dachte ich an Goebbels Rede in diesem Haus anno 1943, bemerkte Cohen dazu in einem Interview des Magazins POP (1972). Der Berliner Morgenpost hingegen erschien Cohens umstrittener Ausspruch weniger wichtig. Ihr Reporter versuchte die Konzertatmosphäre einzufangen: „Auf Einwürfe aus dem Publikum hat er eigentlich immer eine Entgegnung parat. Selbst wenn es ein Hund ist, der während eines leisen Liedes bellt. Leonard Cohen kann dies nicht aus seiner Ruhe (seiner Geborgenheit in seinen Songs, möchte man meinen) bringen.

1974

War Cohens Auftritt am 24.9. in der Berliner Philharmonie eher unspektakülär. Fast schon traditionell eröffnete er den 27 Songs enthaltenen Konzertabend mit ,,Bird On a Wire“ und ließ ein rundum gelungenes Konzert mit ,,The Butcher“ enden.

1976

Nicht zuletzt um die immer wiederkehrende Frage nach seinem Verbleib zu beantworten, begab sich Leonard Cohen im Frühjahr 1976 auf seine mit 56 Konzerten bis dahin längste Tournee, die „Tour Of Europe“. Nach ihrem Start am 22. und 23. April in der Berliner Philharmonie führte sie ihn durch elf europäische Länder. Die Berliner Zeitung berichtete von einem „20minütigen Donner-Applaus“, nach dem Cohen noch einige Zugaben gab, und der Kritiker der Berliner Morgenpost sprach von „schärferen, härteren, auch melodischeren Songs“. „Der ruppig-eintönige, wenn auch immer stimmige Singsang der frühen Jahre löst sich auf in befreiende, mitunter auch fetzende Musikalität. [. . .] Und plötzlich, ohne Vorwarnung, singt er deutsch: >Die Gedanken sind frei<, von Cohen empfunden, auf der Gitarre begleitet. Damit überraschte Cohen erneut mit einer bis dato noch nie gehörten Coverversion.

1979/ 1980

Gleich zweimal hintereinander besuchte Cohen Berlin: Am 5.11. 1979 (ICC) und am 20.11.1980.

Ganz so gute Kritiken wie im übrigen Europa bekam Cohen mit seinen Auftritten in Deutschland jedoch nicht. Wieder machte eine Äußerung in bezug auf das Nazi-Deutschland die Medien etwas unsicher. „Verärgert über das ICC – da schlug der stille Leonard laute Töne an“, monierte die Bild-Zeitung. Und die Berliner Zeitung titelte: „Pop-Star fiel aus der Rolle“. Grund füir die Mißtöne war, daß der Sängerpoet sein Publikum aufgefordert hatte, „dieses Kongreßzentrum auseinanderzunehmen“ und sich „gegen die totalitäre Architektur hier aufzulehnen“. Es Hegt nur an diesem Raum. Wenn man diese schreckliche Plastik da vorne sieht, ist man im dunklen Bereich seines Lebens. Am besten, jeder nimm} seinen Stuhl mit nach Hause“, kommentierte Cohen.

Ohne auf den Zwischenfall in Berlin oder seinen politischen Hintergrund einzugehen, resümierte ein Kritiker der Morgenpost, was mit ähnlichen Worten auch die meisten seiner europäischen Kollegen nach Cohens Konzerten von 1980 feststellten: „Seine Beständigkeit ist ein weiteres Gütezeichen seines anhaltenden Erfolges. [. . .] Cohens Lieder bewegen und halten sich ja alle auf der gleichen Klangmeile, die Monotonie seiner Stimme ist sein Markenzeichen. So wie er sich äußerlich kaum zu verändern scheint, so wenig verändern sich die Themen seiner Botschaften.

1985

Gegenüber seinen Konzerten von 1980 hatte sich einiges geändert – nicht mehr nur sein Oberkörper wurde von einem Scheinwerfer angestrahlt, sondern die gesamte Bühne war in rotes Licht getaucht, was zusammen mit den Country-Arrangements des ,,Various Positions“-Albums für einen Anflug von Lagerfeuer-Romantik sorgte -, aber die Show-Elemente hielten sich weiterhin in Grenzen. „Ausgelassenheit“ deutete Cohen allenfalls mit einem etwas schnelleren Fußwippen an – eine Bewegung immerhin, die 1980 kaum zu beobachten war. Dennoch kam, wenn auch meist erst gegen Ende eines Konzerts und vor allem dann, wenn Cohen ältere Songs vortrug, Stimmung auf. Das Publikum reckte zwar nicht mehr seine Fäuste gen Himmel, reagierte aber mit anhaltendem frenetischem Applaus.

Nach seinem Auftritt am 3. Februar 1985 folgten erstmals Konzerte hinter dem damaligen ,Eisernen Vorhang“. Vom 19. bis 22. März 1985 trat Leonard Cohen in Polen auf, in Poznan (Posen), in Wrozlaw (Breslau), in Kattowitz und Warschau.

1988

,,First We Take Manhattan“, than we take Berlin…der Song aus dem ,,I`m Your Man“-Album, der Cohen zurück in die Charts brachte und am 9. April auch wieder ins Berliner ICC. Cohen war wieder ganz oben, war wieder da, obwohl er nie weggewesen war. 1988 war das Erfolgsjahr vor Leonard Cohen und der Berliner Auftritt sein bis dato bester.

1993

Obwohl Leonard Cohen seine alten Songs nicht mehr sang, wußte das Publikum die neuen Lieder der ,,I`m Your Man“- und ,,The Future“-Alben, die er anscheinend für seine „neue“ Stimmlage verfaßt hatte, zu schätzen; es lauschte gespannt, hielt sich in den , Armen, und gelegentlich tanzte es sogar. Leonard Cohen, der sich wohl eher auf frontale Ablehnung eingestellt hatte, bedankte sich mehrmals auf . für ihn untypische Weise mit Worten in deutscher Sprache und einer im . Vergleich zur vorausgegangenen „I’m Your Man“-Tour wesentlich „heissereren“ Interpretation von „Suzanne“. Am Ende des insgesamt 21 Songs umfassenden, rund 120minütigen Auftritts stand eine Version von „Wither Thou Goust“.

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2001

Am 5. Juli 2001 residierte Leonard Cohen im Hotel ,,Four Seasons“, um sein ,,Ten New Songs“-Album zu promoten. Was Cohen tatsächlich mit der Textzeile „First we take Manhattan, then we take Berlin“^ meint, weiß wohl nur er selbst. Dennoch bietet er eine Intepretation an:: „First We Take Manhattan“ handelt vom Extremismus im Denken der Menschen. Ich meine damit nicht die Politik oder die Gesellschaft, sondern den Extremismus im Geist des Individuums. Ich denke, daß heutzutage jeder ein Extremist und diese Position auch zu verteidigen bereit ist.

2008/ 2009

Vielleichtwar er nach seinem Auftritt am 6. Oktober 2008 und am 2. Juli 2009 zum letzten Mal in Berlin. Seine im Frühjahr 2008 gestartete Welttour führte Leonard Cohen am erstren Donnerstagabend im Juli 2009 zum zweiten Mal in die Berliner Anschutz-Arena (02-Arena)am Ostbahnhof. Am Ende der Tournee wird er am 21. September 2009 in Barcelona seinen 75. Geburtstag mit einem Konzert gefeiert haben und im November 2009 die 2009er Tournee zu Ende gebracht haben.

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,Er widmet sich der Aufgabe mit tiefer Ernsthaftigkeit. Zwar klingt seine dunkle Stimme, mit der er immer schon eher erzählt als gesungen hat, noch ein paar Reibeisen-Grade tiefer, zwar wirkt er sehr schmal und zerbrechlich in seinem eleganten Anzug, doch wenn Cohen anfängt zu singen mit seinem sonoren Bassbariton, dass er tanzen will bis zum Ende der Liebe, dann weht jeder Abschiedsgedanke davon“, beschrieb die MÄRKISCHE ALLGEMEINE den Auftritt und fügt hinzuz: ,,Seine Musiker sind schlicht und einfach als genial zu loben. Verstehen sie es doch, die Songs mit kleinen instrumentalen Glanzlichtern von spanischer Gitarre, Saxophon, Hammondorgel oder auch Harfe behutsam zu illuminieren und trotzdem den Sänger souverän über seine Schöpfungen aus gut vier Jahrzehnten herrschen zu lassen. … ,,Nach drei Stunden, die eher einer andächtigen Einkehr gleichen als einem Konzert, bedankt sich der Grandseigneur des Anti-Pop mit einer so innigen Dankesrede, dass sich die Ahnung festigt: Wir haben ihn wohl zum letzten Mal so gesehen, mutmasst Gerd Dehnel in seiner Konzerterinnerung. Andere Medien sprechen von ,,Euphorie und Wehmut“, wenn sie über Leonard Cohen in Berlin berichteten: ,,Vielen der rund 15 000 Leonard-Cohen-Fans in der Arena am Ostbahnhof dämmerte am Donnerstag, dass der eindrucksvolle Berliner Auftritt des kanadischen Pop-Veteranen womöglich sein letztes Deutschland-Konzert war“, schrieb die MUSIK NEWS …

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… ,,mit einem zerknittertem Hut vor der Brust und Tränen in den Augen dankte Leonard Cohen schließlich seiner großartigen Band und den Berliner Fans – unter ihnen auch Außenminister und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD). Danach verließ der alte Herr zum letzten Mal hüpfend die Hauptstadt-Bühne – Abtritt einer lebenden Pop-Legende“, wusste auch die DPA von diesem letzten Auftritt Cohens in ,,Old Berlin“ zu berichten.

2010

„Wunderkerzen und Jubel für Leonard Cohen“ titelt die SÜDDEUTSCHE die Konzertkritik zu Leonard Cohens Berlin Auftritt am 18. August 2010 in der Berliner Waldbühne.

DER TAGESPIEGEL schreibt: „Leonard Cohen verströmt bittersüße Melancholie, singt die Welt düster und macht vielleicht gerade dadurch Mut und Hoffnung. Mit fast 76 Jahren rührt und verzaubert er weiter seine Zuhörer.“

„Es ist das dritte Berlin-Gastspiel, das Cohen und seine exzellente Band nun im Rahmen dieser Tournee geben“, stellt DIE WELT fest und resümiert: „Und doch hat auch dieser Abend in der Waldbühne etwas Einzigartiges, ja Ergreifendes. Hier geht es immer um das letzte Mal, um Abschied, um Verzicht, um den Zwist mit dem Dasein und den Kampf gegen die Resignation – aber auch um Hoffnung. „Meine Freunde“ nennt er sein Publikum immer wieder.

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Dennoch war es der Tourauftakt zur 2010er und damit im dritten Jahr seiner konzertalen Weltreise stattfindenden Tournee. „In Berlin beweist er, dass ein Sänger auch mit 75 Jahren in Würde auf einer großen Bühne stehen kann und will. «I did not come to you to Berlin to fool you», wird er später versichern, in verschmitzter Abwandlung seines großen Erfolgs «Halleluja». Was die SÜDDEUTSCHE auch fesstellt ist: „… wer ihn 2008 und 2009 auf deutschen Bühnen erlebte, sieht auch: Leonard Cohen ist älter geworden. Seine Bewegungen wirken langsamer, die Zwiesprache mit dem Publikum scheint weniger spontan. Zeilen wie «I don’t know when I’ll be back» aus dem ironischen «Tower of Song» bekommen eine neue Bedeutung. Noch eine Tournee wird es vielleicht nicht geben“. …

 2012

 Doch, wird es…nämlich am 5. September 2012 und zwar erneut in der Berliner Waldbühne. Die Welttournee, die ein Jahr aufgrund der Studio-Aufnahmen zum „Old Ideas“-Album pausierte, ging 2012/ 2013 weiter. Und ein Jahr danach kam er sogar noch einmal…

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2013

Am 17. Juli in die Berliner O2 Arena

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Der Text enthält Bestandteile aus Christof Grafs Büchern wie z.B.:

So Long Leonard, 1990

Partisan der Liebe, 1996

Leonard Cohen – Un hommage, 1997

Songs Of A Life, 2002

Titan der Worte, 2010

Zen & Poesie, 2015